Neue Punkteregelung soll "Seele des Fußballs" retten/Traditionsvereine und ihre Fans begeistert/Geldvereine protestieren
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Alte Försterei in Berlin-Köpenick: Bei
Union wird Fankultur gelebt
(Foto: Richter/KA) |
Frankfurt/Main (sim). Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) beabsichtigt ab der übernächsten Spielzeit eine umfassende Änderung in der Bundesliga, die weitreichende Konsequenzen für die Zusammensetzung der Eliteklasse des deutschen Fußballs nach sich ziehen könnte. Die Reform geht laut DFB-Präsident Wolfgang Niersbach davon aus, dass Traditionsvereinen pro absolviertem Spiel ein Bonuspunkt in der Tabelle angerechnet werden soll. Aufgrund der zahlreichen Beschwerden, die von "echten Fans" in letzter Zeit an den Fußball-Bund bzw. die Fußball-Liga (DFL) herangetragen worden seien und die die "zunehmende Kommerzialisierung" beklagt hätten, habe ein Umdenken stattgefunden. So könne eine neue Zählweise der Punkte "das Herzstück und die Seele unseres Sports" wieder in den Mittelpunkt stellen. Und das seien nun einmal die Traditionsvereine mit ihrer langjährigen Geschichte und ihrer Fankultur. "Wenn du in Leverkusen oder in Wolfsburg im Stadion bist, schlafen dir doch die Füße ein. Da denkst du doch, du bist in der Kühlschrankabteilung eines Kaufhauses gelandet", nahm Niersbach kein Blatt vor den Mund und spielte auf die Stimmung in gewissen Arenen an. Während sich der DFB mit dieser Maßnahme mittel- bis langfristig eine flächendeckende Besetzung der Liga mit Traditionsvereinen erhofft, liefen schon unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorhabens die Vertreter von Bayer 04 Leverkusen, dem VfL Wolfsburg und der TSG 1899 Hoffenheim Sturm dagegen.
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Sponsor eines Vereins in Leverkusen:
Chemie und Medikamente für die
Spieler (Foto: Richter/KA) |
"Das ist eine Frechheit gegenüber unseren großzügigen Sponsoren, die uns seit Jahren mit Geldmitteln überhäufen", wurde etwa Rudi Völler, Sportdirektor aus Leverkusen, zitiert. Auch Wolfsburgs Manager Klaus Allofs fragte: "Was erlaubt sich der DFB? Das ist eine Beleidigung für VW. Die wissen ja dann nicht mehr, wohin mit ihren Millionen." Hoffenheims "starker Mann" Dietmar Hopp (SAP) wiederum soll, als er von den Plänen des DFB erfuhr, eine leichte Herzattacke bekommen und geschluchzt haben: "Wenn es in Zukunft wieder auf Tradition und nicht mehr auf Geld ankommt, entzieht man uns die Grundlage unseres Schaffens." Erkennbar geht im Kraichgau und den anderen Standorten mit erheblicher Unterstützung lokaler Fußballvereine durch finanzkräftige Weltkonzerne die Angst um. Mehrere namhafte Anwaltskanzleien aus aller Welt wurden bereits beauftragt, die rechtliche Situation auszuloten und mögliche Klagen gegen das Vorhaben des DFB vorzubereiten. "Es ist noch nichts spruchreif. Wir werden mit allen Vereinen ausführlich diskutieren und dann die nötigen Entscheidungen in aller Ruhe treffen", wiegelt Niersbach die Kritik ab. Nicht bestätigen konnte der DFB-Chef allerdings Gerüchte, wonach alle "Plastikvereine", wie es ein Mitglied des FC St. Pauli nannte, unverzüglich aus der Ersten Liga ausgeschlossen werden sollen.
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Adleremblem der Frankfurter Eintracht:
Hier lebt die Tradition (Foto: Richter/KA) |
Grundsätzliche Zustimmung erhielt der Verband bereits von mehreren Clubs, die auf eine lange und stolze Tradition zurückblicken können. So kündigte etwa ein Vertreter von Rot-Weiß Essen an, dass der Verein langfristig die Champions League anstrebe. "Jetzt sind wir mal wieder dran", jubelte auch ein einflussreiches Aufsichtsratsmitglied der Offenbacher Kickers und stellte entsprechende Schritte in Aussicht. Auch die Anhänger und Fanclubs besagter Traditionsvereine begrüßen die neue Politik des DFB und sprechen unisono von einer "Sensation", die so nicht zu erwarten gewesen wäre. Vertreter der Ultra-Fangruppierungen, die seit längerem die "hemmungslose Kommerzialisierung, hohe Eintrittspreise und den oberflächlichen Eventcharakter" des Fußballs beklagen und traditionell eher verbandskritisch sind, äußerten sich vorsichtig zustimmend. "Ein erster Schritt in die richtige Richtung, wenn das so umgesetzt wird", kommentierte ein Mitglied der Ultras von Eintracht Frankfurt. Allgemein wird erwartet, dass die Reformpläne des DFB und der Liga auf absehbare Zeit in jedem Fall erhebliche Veränderungen der deutschen Fußballlandschaft nach sich ziehen werden.
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