Verkauf von Pelzmänteln und Luxusuhren geht zurück/Besitzer von Edelboutiquen alarmiert
Von Siegfried Richter
Bild aus glücklicheren Tagen: Baden-Baden freut sich über Horden reicher Russen, die tüchtig einkaufen (Foto: Richter/KA) |
Baden-Baden. Um die Neuordnung Mittel- und Osteuropas und das nach Meinung einiger Beobachter etwas stürmische Auftreten Russlands in der Ukraine mit friedlichen Mitteln einzudämmen, waren von der Europäischen Union unter deutscher Führung in den letzten Monaten "brutalste Schritte" wie Einreisebeschränkungen und Kontensperrungen für russische Oligarchen und Kremlvertraute verhängt worden. Nun tragen diese rigorosen Sanktionsmaßnahmen Früchte und strafen damit insbesondere die Amerikaner Lügen, die zusammen mit den Polen und Balten in der ihnen eigenen Art und Weise wieder einmal mit "politischer und militärischer Stärke" reagieren wollten, nur weil das Völkerrecht und die Menschenrechte gellitten hatten. Wie die EU-Kommission in Brüssel bekanntgab, haben die Entscheidungen gegen Russland das Riesenreich und "sein politisch-ökonomisch-militärisches Potenzial an der empfindlichsten Stelle getroffen" und dürften geeignet sein, Russlands Präsidenten Wladimir Putin und seinen Kurs "im Sinne der Menschlichkeit maßgeblich zu verändern". Milliardenschwere Oligarchen aus dem Öl- und Gasgeschäft können durch die Restriktionsmaßnahmen ihre Gattinnen nicht mehr zum Shoppen nach Baden-Baden und in andere "Wohlfühloasen für dekadente Neureiche aus Russland" (Zitat einer Verkäuferin kurz vor Ladenschluss) schicken. Während Besitzer von Luxusläden und die hübschen Frauen der Magnaten fassungslos sind, feiert die europäische Politik die Entwicklung überwiegend als Durchbruch und Beweis für die Richtigkeit ihrer Strategie. Der gegenwärtige Waffenstillstand im Osten der Ukraine sei eine unmittelbare Folge dieser Politik, die die Machthaber in Moskau beeindruckt und zum Einlenken bewogen habe.
Wie ausgestorben: Geschäftsstraße in Baden-Baden. Wo sind die reichen Russen nur geblieben? (Foto: Richter/KA) |
Dies führt zu erheblichen Umsatzeinbußen bei Luxusgeschäften. "Die russischen Luxusweibchen kommen nicht mehr und sorgen bei uns für Verkaufseinbrüche von unvorstellbarem Ausmaß", beschwert sich etwa der Besitzer einer Edelboutique und kann der EU-Politik überhaupt nichts abgewinnen. "Was scheren mich das Völkerrecht und die Menschenrechte in der Ukraine, wenn uns die Kunden wegbleiben", schnauft der Geschäftsmann und kann sich kaum beruhigen. Ähnlich ergeht es zahlreichen anderen Läden, die seit Jahren von jenen Russen abhängig sind, die mit Auflösung der Sowjetunion seinerzeit durch harte Arbeit und auf rechtmäßigem Weg zu Vermögen gekommen waren. "An die Geschäftsleute denkt wieder einmal niemand", kritisiert auch ein Vertreter eines namhaften deutschen Wirtschaftsverbandes, der sich ansonsten eher um die Belange der Industrie und eines reibungslosen Geld- und Warenaustausches mit Russland ("Handel durch Handel") jenseits menschenrechtspolitischer Erwägungen bemüht und der an dieser Stelle aus datenschutzrechtlichen gründen nicht genannt sein will. Da konnte es bisher bei den Shopperinnen aus dem Osten dann auch schon einmal etwas mehr sein. Während der Durchschnittsbürger im Reich Putins sich in Ermangelung materiellen Wohlstandes kärglich von Nationalismus, Militarismus und Imperialismus durch die Staatsspitze ernähren lassen muss und diese Fütterung auch bereitwillig über sich ergehen lässt, sind Uhren für ein paar hunderttausend Euro oder teure Pelzmäntel für die kleine Schicht von Reichen mehr als erschwinglich. "Da rollte der Rubel", trauert ein Kürschner aus Baden-Baden vergangenen Zeiten nach. Dass dieser Umstand sich nicht gerade positiv auf die Steuereinnahmen der mondänen Kurgemeinde auswirken dürfte, liegt in der Natur der Sache. Der Bürgermeister war gleichwohl zu einer Stellungnahme nicht bereit. Er müsse erst noch einmal mit Berlin telefonieren, hieß es aus dem Rathaus.
Dagegen begrüßen zahlreiche Appeasement-Politiker in Europa die neuen Entwicklungen. "Angesichts der unübersehbaren Erfolge der EU-Strategie blicken wir zuversichtlich in die Zukunft", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Namen der Bundesregierung. Der Großteil der europäischen Regierungen und Parteien schloss sich dieser Verlautbarung umgehend an, gilt doch die in Deutschland häufig anzutreffende Haltung, man müsse Krieg und Gewalt durch permanente Verhandlungen und Nachgiebigkeit gegenüber den Verursachern dieser Phänomene beantworten und die Verantwortlichen gleichsam zu Liebe und Frieden zwingen, mittlerweile als eine goldene Regel. Die Tatsache, dass momentan in der Ostukraine die Waffen nach dem "Minsker Abkommen" weitestgehend schweigen, führen kundige Beobachter genau auf diese "sanfte Politik der Stärke" zurück. Und in der Tat: Gerade die Notwendigkeit für reiche Russen und Freunde des Kreml, jetzt ihre Luxusgüter für einige Zeit woanders als in der EU erwerben zu müssen, mag Putin und seine Berater zum derzeitigen Einlenken gebracht haben. Wie erschrocken und voller Angst mag der starke Mann in Moskau reagiert haben, als er von diesem Shopping-Notstand seiner getreusten und dankbarsten Untertanen gehört hat. Man möchte sich die innere Zerrissenheit gar nicht vorstellen, durch die diese Menschen zur Zeit gehen müssen.
Nur die Linkspartei sprach angesichts der Sanktionen von einem "unerhörten und friedensfeindlichen Akt", der das "friedliche Zusammenleben mit dem friedlichen Russland und seinem friedlichen Präsidenten Putin" bedrohe. Sahra Wagenknecht, die starke Frau der Linken, sprach von einem "Menschenrecht auf Shoppen", das man den Russen nehme. Schuld seien die Amerikaner, hieß es aus dem Liebknecht-Haus in Berlin. Wer auch sonst, möchte man angesichts dieses Statements begeistert ausrufen. Dass die sonst eher kapitalismuskritische Partei sich so vehement für reiche Russen einsetzt, wollte man jedoch nicht als Bruch der eigenen Linie verstanden wissen. Wer mag es der traditionell russlandfreundlichen Partei, die schon Kraft ihrer Geschichte eine besondere Empfindsamkeit für Menschenrechtsverletzungen hat, diese Haltung verübeln. Es gibt eben Kritiker des westlichen Kapitalismus, die das Oligarchensystem in Russland nicht so schlimm finden. Wie immer man die Sanktionspolitik und ihre Wirkung bewerten mag. Eines steht fest: Die Besitzer schicker Edelboutiquen in Russland selbst werden sich in nächster Zeit über steigende Umsatzzahlen freuen dürfen. Und das ist ja auch schon etwas. Europa sei Dank!
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