Die Deutsche Frage ist wieder offen! Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland?!
Essay von Siegfried Richter
Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Die sogenannte "Deutsche Frage" ist nicht beantwortet und harrt einer endgültigen Lösung. Nach der Beendigung des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung war man davon ausgegangen, dass sich elementare Grundfragen nach der Verfasstheit der deutschen Staatsordnung bzw. der Bundesrepublik Deutschland als föderales Gebilde nicht mehr stellen würden. Zu klar und eindeutig schien die "alte" Bundesrepublik als demokratisches und föderales "Erfolgsmodell" nach dem Zweiten Weltkrieg wahrgenommen worden zu sein, das als Vorbild für das größere und wiedervereinigte Land und seine staatliche Ordnung keinesfalls nach einer Alternative getrachtet hätte. Während die freiheitlich-demokratische Grundordnung als werteorientierter Bestand humanistischer Ideale trotz mancher Anfechtung durch radikale Milieus heute als gesichert gelten darf, weisen die heftigen Debatten um den Länderfinanzausgleich auf eklatante Auffassungsunterschiede und Defizite im föderalen System hin. Dass dieser vordergründig ökonomisch und finanzpolitisch daherkommende "Verteilungskonflikt" daher in Wirklichkeit in die staatsrechtliche Verfasstheit unserer Bundesordnung bzw. in das Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern einerseits und in die Beziehungen der Länder untereinander andererseits weist, kann nur noch von weltfremden Phantasten ernsthaft bestritten werden. Gleichzeitig ist ohne eine gerechte Regelung der Finanzverteilung, die bisher einseitig auf Kosten der arbeitenden und zahlenden Bayern und Hessen geht und eher an Ausbeutung grenzt denn etwas mit der erforderlichen Solidarität zwischen den Ländern zu tun hat, der Konflikt nicht zu bereinigen. Richtige Politik auf Länderebene, die zu Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und Haushaltskonsolidierung führt, muss belohnt werden. Finanzhoheit und politische Selbstverantwortung der Länder müssen gestärkt werden. Die sich nahezu stündlich überschlagenden Ereignisse legen einen Verfassungskonflikt frei, der längst das Stadium einer Verfassungskrise erreicht hat. Der schwersten Verfassungskrise, die dieser Staat je gesehen hat. Schon werden sogar militärische Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern nicht mehr ausgeschlossen. Die schwindelerregende Geschwindigkeit, mit der die Bundesgenossen Bayern und Hessen aus der Frage nach der seit Jahren als ungerecht empfundenen Regelung des Länderfinanzausgleichs eine grundsätzliche Frage nach Unabhängigkeit und Eigenstaatlichkeit gemacht haben, mutet absurd an. Ebenso der Kurs der Bundesregierung und der übrigen Länder, die nicht ohne kulturelle Arroganz gegenüber dem deutschen Süden rigoros auf den Status quo pochen und weiter ihre Nehmerqualitäten unter Beweis stellen wollen. Allenthalben herrscht trotz lange erfolgter Signale aus südlicher Richtung Verwunderung darüber, dass die Bayern und Hessen nicht mehr zahlen wollen, dass die Geberländer nicht mehr geben wollen. Das vorauszusehende Scheitern ihrer Verfassungsklage in Karlsruhe bringt den Streit von der juristischen auf die politische, staatsrechtliche und militärische Ebene. Wie nur konnte es soweit kommen? Wer ist schuld? Und gibt es noch eine Rettung für unser gemeinsames Vaterland? Kann das Blutvergießen in einem deutschen Bruderkrieg noch abgewendet werden? Drängende Fragen, die eine schnelle Antwort verlangen, bevor es zu spät ist.
Nord-Süd-Konflikt ist mehr als Länderfinanzausgleich
Wer nach der Wiedervereinigung der beiden seit dem Zweiten Weltkrieg getrennten Landeshälften und Teilstaaten 1990 und der im "2+4-Vertrag" des gleichen Jahres erfolgten Regelung mit den Alliierten über Deutschlands Selbstständigkeit und den Verzicht auf die ehemaligen Ostgebiete die deutsche Frage für beendet erklärte, gab sich augenscheinlich einer gefährlichen Illusion hin. Der seinerzeit erfolgte Satz, wonach mit der Öffnung des Brandenburger Tores die deutsche Frage gelöst sei, mutet angesichts der Entwicklungen der letzten Tage nachgerade anachronistisch an. Dabei geht es diesmal nicht um einen Kampf der Systeme, wie wir ihn im Kalten Krieg zwischen westlicher Demokratie und östlicher Diktatur des Kommunismus erlebt haben. Auch stehen die endgültig verlorenen, ehedem deutschen Gebiete in Osteuropa staatsrechtlich nicht mehr zur Debatte. Nein, diesmal ist der Ost-West-Konflikt ein Nord-Süd-Konflikt. Der Streit um den Länderfinanzausgleich, der nun zwischen Bayern und Hessen einerseits und dem Rest der Republik andererseits offen ausgebrochen ist, kann gleichwohl nur als "Spitze des Eisberges" betrachtet werden. Es geht in Wirklichkeit um mehr als um Finanzen und Steuern. Es geht um Freiheit. Die Freiheit der nordostdeutschen Länder, sich weiterhin mit den im Süden erwirtschafteten Finanzmitteln jene politischen Rechte anzumaßen, die ihnen Bayern und Hessen nicht mehr gewähren wollen. Und die Freiheit der süddeutschen Länder, sich im Ringen um ihre Eigenständigkeit dies nicht länger gefallen zu lassen.
Hier kommen lange unterschätzte und durch das föderale System der Bundesrepublik mühsam zusammengehaltene politische und kulturelle Mentalitätsunterschiede und Widersprüche der deutschen Landsmannschaften ans Tageslicht, die nicht weniger als die Frage nach dem weiteren Vorrat an Gemeinsamkeiten und mithin die Frage nach dem Föderalismus und der staatlichen Ordnung insgesamt stellen. Während die Bundesregierung und die Mehrzahl der deutschen Länder den Föderalismus vor allem als Garant einer durch stetige und massive Umverteilung angestrebten Balance sonst ungleicher Regionen auslegen, erachten Bayern und Hessen als zusammen mit Baden-Württemberg wirtschafts- und finanzstärkste Bundesländer genau dies als Gefahr für ihr Eigenständigkeit und Selbstverantwortung betonendes Verständnis von Föderalität. Die einen wollen weiter nehmen, die anderen nicht mehr oder nicht mehr so viel geben.
Respekt vor regionaler Identität gefragt
Respekt vor regionaler Identität gefragt
Ein Dilemma, das Vernunft und Augenmaß auf allen Seiten erfordert. Die Schuldverteilung, die jetzt im politischen Berlin und den meisten Ländern im Sinne einseitiger Anklagen in Richtung München und Wiesbaden vorgenommen wird, erscheint oberflächlich. Ebenso zeugt der rigorose Kurs der Herren Seehofer und Bouffier von einer Überreaktion, die angesichts fortwährender Demütigungen allerdings nicht Wunder nimmt. Hier, wie es etwa Bundeskanzlerin Merkel tut, von "Verrat" am Föderalismus der Bundesrepublik zu sprechen, wird den komplexen Ursachen und den Befindlichkeiten unterhalb der Mainlinie nicht gerecht. Manche Beobachter reden davon, dass die Südstaaten mit der "Öffnung der Büchse der Pandora" die "Büchse der Pandora geöffnet" hätten. Ein Auseinanderfallen des Gesamtstaates oder eine neue deutsche Teilung mit all ihren verfassungsrechtlichen, sozioökonomischen und sogar militärischen Folgen wäre "ohne Not" heraufbeschworen worden. Bei dieser Argumentation kommt jedoch der kulturhistorische und mentalitätsgeschichtliche Aspekt zu kurz. Wer das stolze Volk der Bayern als "rückständiges und widerspenstiges Bergvolk" verunglimpft und die Hessen als "bloßes Anhängsel" diffamiert, geht fehl. Schon immer haben die Süddeutschen einen Hang zur Eigenständigkeit bewiesen, der keinesfalls gegen den Föderalismus, vielmehr gerade unter Berufung auf denselben als Ausdruck selbstbewusster Identität und Regionalbewusstsein gelebt wird. Fühlen sie sich als Nettozahler ausgenutzt und um den verdienten Lohn ihrer weitschauenden Politik, die gerade in Bayern eine sinnstiftende Mischung aus moderner Wirtschafts- und Forschungsentwicklung einerseits und Förderung von Tradition und Brauchtum andererseits schon seit den Zeiten eines Franz-Josef Strauß geführt hat, betrogen, reagieren sie empfindlich. Gleichwohl ist die Gemengenlage in Hessen eine etwas andere, verstehen sich doch nur die Südhessen im Rhein-Main-Gebiet im Gegensatz zu den Nordhessen mehr oder weniger als Süddeutsche. Hier sind komplizierte und heikle Fragen zu beantworten, die in die Geschichte des deutschen Föderalismus und damit in das Selbstverständnis der Deutschen insgesamt und ihrer nationalen Identität weisen. "Was ist des Deutschen Vaterland?", wurde schon in alter Zeit gefragt. Die Unterschiedlichkeit in Sprache, Mentalität und Kultur der deutschen Volksstämme zieht sich durch die Geschichte und ist bis heute als uns alle bereichernde Vielfältigkeit virulent. Dies ist mehr als eine historische Reminiszenz oder gar Folklore. Dies betrifft das Selbstverständnis einer immer noch verunsicherten Nation, die nach Nationalsozialismus, Kommunismus und Teilung weiterhin auf der Suche ist und ein balanciertes Verhältnis zwischen Nationalstaat und regionalem Bezug finden muss. Dass gerade die regionale Frage kein Gegensatz zu europäischen und internationalen Zusammenhängen und Überzeugungen ist, beweist ein Blick in andere Länder. So sind etwa die Unabhängigkeitsbestrebungen der Schotten oder Katalanen Ausdruck genau dieser auch sehr emotionalen Sachlage. Die Bayern und Hessen wollen Deutsche bleiben, aber eben weiterhin auch Bayern und Hessen sein dürfen. Im vollen Sinne der Bedeutung dieser Wörter.
Bundesregierung muss handeln
Gerade die Bundesregierung wird diese schwierige Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen und Befindlichkeiten der verschiedenen Akteure zu berücksichtigen und auf allen Ebenen auszutarieren, beherzter angehen müssen. Gelingt dies nicht, ist nicht die deutsche Kulturnation gefährdet, sondern die deutsche Staatlichkeit als Ausdruck patriotischer Gesinnung und Vaterlandsliebe. Handeln Sie Frau Merkel, ehe es zu spät ist! Möge niemand nachher sagen, er hätte es vorher nicht gewusst. In diesem Sinne gilt: Einigkeit und Recht und Freiheit, für das deutsche Vaterland!!!
Bundesregierung muss handeln
Gerade die Bundesregierung wird diese schwierige Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen und Befindlichkeiten der verschiedenen Akteure zu berücksichtigen und auf allen Ebenen auszutarieren, beherzter angehen müssen. Gelingt dies nicht, ist nicht die deutsche Kulturnation gefährdet, sondern die deutsche Staatlichkeit als Ausdruck patriotischer Gesinnung und Vaterlandsliebe. Handeln Sie Frau Merkel, ehe es zu spät ist! Möge niemand nachher sagen, er hätte es vorher nicht gewusst. In diesem Sinne gilt: Einigkeit und Recht und Freiheit, für das deutsche Vaterland!!!
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