Dienstag, 5. Mai 2015

Kubanische Kriegsschiffe vor der US-Küste gesichtet: Droht eine Invasion Floridas?

Annäherungskurs zwischen USA und Kuba erfährt neue Dimension/US-Küstenwache und Pentagon alarmiert/Weißes Haus schweigt/Republikaner vermuten Agreement zwischen Obama und Castro zur Beseitigung konservativer Exilkubaner/Welt hält Atem an 
 
Von Mark Twain
 
Miami/Washington. Nach der vorsichtigen Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba (wir berichteten), die die jahrzehntelange Funkstille zwischen den beiden ungleichen Ländern beendete, bahnt sich möglicherweise eine neue Dimension in den amerikanisch-kubanischen Beziehungen an. Nicht undenkbar erscheint es zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dass es eine in Zeiten der Konfrontation des Kalten Krieges zwischen der westlichen Supermacht und der kommunistisch regierten Karibikinsel ausgeschlossene Kooperation auf Regierungsebene gibt. Möglicherweise sollen mit einer Invasion Floridas durch kubanische Streitkräfte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Während Kuba die antikommunistischen Gegner insbesondere in Miami und Umgebung neutralisieren möchte, käme den Demokraten um US-Präsident Obama eine Ausschaltung der ultrakonservativen Klientel der Republikaner aus innen- bzw. wahlpolitischen Gründen im anlaufenden Präsidentschaftswahlkampf keinesfalls ungelegen. Offenbar betrachten Havanna als auch Washington die seit der kubanischen Revolution in Florida ansässigen Exilanten beiderseits als "Störenfriede" auf dem Weg zu einer weiteren Annäherung der so lange verfeindeten Länder.

Kriegsschiffe und Bemerkung Castros über Exilkubaner versetzen Küstenwache und Pentagon in Alarmbereitschaft
 
Kubanische Kriegsschiffe vor der
Küste Floridas (Foto: Richter/KA)
 "Jetzt, wo wir mit der US-Führung unter Präsident Obama einen pragmatischeren Umgang pflegen, müssen die Hardliner in Miami beseitigt werden", spielte Kubas Präsident Raul Castro im Rahmen einer Pressekonferenz auf die antikommunistisch geprägten Exilkubaner von Florida an. Jene ultrakonservativen Kräfte, die sich nach der kommunistischen Revolution auf Kuba 1959 in die USA geflüchtet hatten, halten ihren Anspruch auf die "Rückgewinnung Kubas unter demokratischen und freiheitlichen Gesichtspunkten" weiterhin aufrecht. Augenscheinlich sieht die Führung in Havanna den Einfluss der Exilanten nicht nur als Hindernis für die Verbesserung des Verhältnisses zum großen Nachbarn, sondern nach wie vor auch als Bedrohung für die "Errungenschaften des Sozialismus" auf der Zuckerrohrinsel in der Karibik. Da in den letzten Tagen mehrere kubanische Kriegsschiffe an die Demarkationslinie vorgedrungen waren und ein Eindringen in amerikanische Gewässer bevorzustehen schien, halten Sprecher der US-Küstenwache einen "Invasionsversuch zur Befreiung Floridas" nicht mehr für ausgeschlossen. Die Patrouillenfahrten wurden erhöht, die gesamte Flotte der Küstenwache in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.  Parallelen zur sogenannten "bay of pigs-invasion" der USA in der Kennedy-Ära wollte allerdings niemand ziehen. Seinerzeit hatte der US-Präsident im Rahmen der Kuba-Krise 1962 mit einer Invasion an der Schweinebucht den vergeblichen Versuch unternommen, das Regime von Fidel Castro zu stürzen. Bei besagter Unternehmung waren es gerade Exilkubaner gewesen, die an den militärischen Aktionen an vorderster Front teilnahmen. Die Stationierung von sowjetischen Raketen vor der "Haustür" der Amerikaner hatte damals eine gefährliche Konfrontation zwischen den beiden Supermächten des Kalten Krieges heraufbeschworen. Ein befürchteter Atomkrieg konnte dann durch die konsequente Haltung von John F. Kennedy den Abzug der Waffen von Kuba bewirken. Während die jüngsten Aktivitäten vor der Küste Floridas das Pentagon (US-Verteidigungsministerium) ebenfalls von einer "nicht auszuschließenden Invasionsbemühung der Kubaner" sprechen ließ und entsprechende Vorkehrungen zur Gefahrenabwehr und einer möglichen Verteidigung Floridas getroffen wurden, hielt sich das Weiße Haus auffällig zurück.
 
Obama schweigt/Republikaner vermuten stillschweigendes Übereinkommen auf Kosten der Exilkubaner 
 
 
US-Präsident Obama hält sich merklich
zurück (Foto: PD)
Weder Präsident Barack Obama selbst noch einer seiner Sprecher oder Kabinettsmitglieder nahm zu den Vorfällen an der Südküste der USA Stellung. Beobachter in Washington gehen davon aus, dass die Zurückhaltung der Demokraten damit zusammenhängen könnte, den neuen Annäherungskurs mit Kuba und die bereits beschlossene Aufhebung gewisser wirtschaftlicher Sanktionen und politische Erleichterungen des gegenseitigen Austausches nicht zu gefährden. Die Republikaner dagegen vermuten noch eine andere, eher innenpolitisch motivierte Ursache dafür. "Die wollen doch nur die konservativen Exilkubaner in Florida loswerden und halten deshalb die Füße still", spielt der republikanische Mehrheitsführer im Senat, John Boehner, auf die notorische Nähe der US-Kubaner zu seiner Partei an. Der langsam aber sicher anlaufende Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen Ende nächsten Jahres und der traditionell schwere Stand der liberalen Demokraten bei Wahlen in Florida lässt die Einschätzung Boehners als nicht vollständig aus der Luft gegriffen erscheinen. Schließlich stellen die konservativen Republikaner seit Jahren den Gouverneur in Florida und ist es bei Präsidentschaftswahlen aufgrund des Wähler- und Stimmenreservoirs der Exilkubaner für die Demokraten äußerst schwierig, den wichtigen Bundesstaat, der "Sunshine State" genannt wird, zu erobern. Ansonsten bleibt die Entwicklung in dieser mehr als heiklen und akut gefährlichen Lage weiter zu beobachten. Aus Havanna wurden ebenso wie aus dem Weißen Haus in Washington trotz mehrmaliger Nachfragen zahlreicher Journalisten aus der ganzen Welt keine offiziellen Statements bezüglich einer bevorstehenden Invasion abgegeben. Erste Gerüchte gingen diesbezüglich daher davon aus, dass es möglicherweise zwischen Castro und Obama auf höchster Ebene eine Art "Gentlemen's Agreement" gibt.
 
Die Welt hält den Atem an

Die Welt hält wieder einmal den
Atem an (Foto: Richter/KA)
 Die übrige Welt schien von den Ereignissen überrascht und hält erst einmal den Atem an. Erste vorsichtige Stellungnahmen kamen nur aus Berlin und Moskau. Während Regierungssprecher Steffen Seibert vor "übereilten Reaktionen" warnte und anmahnte, die Sachlage zunächst einmal einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, waren die Aussagen russischer Vertreter eindeutiger. "Wer weiß, was die Amerikaner da wieder für ein Spiel spielen? Das ist doch alles Propaganda", ließ sich der gegenüber Macht und Propaganda bekanntermaßen sehr zurückhaltende Präsident Wladimir Putin ins Vernehmen setzen.                         

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