Mittwoch, 6. Mai 2015

Länderfinanzausgleich: Bayern und Hessen machen mobil!

Historisches Treffen von Seehofer und Bouffier in Aschaffenburg/Forderung nach gerechtem Finanzausgleich erhoben/Bei Scheitern der Klage vor Bundesverfassungsgericht droht Zahlungseinstellung/Gründung der "Deutschen Südstaaten" geplant/Mobilmachung bayerischer und hessischer Landwehr steht bevor/Beobachter sehen Zerbrechen des föderalen Systems der Bundesrepublik und die Gefahr eines Bürgerkrieges aufziehen
 
Von Siegfried Richter
 
Bayerns Premier Seehofer
fährt einen entschlossenen
Kurs (Foto: Michael Lucan,
Lizenz: CC BY-SA 3.0
Aschaffenburg. Was sich da in den späten Abendstunden des gestrigen Tages zwischen München und Wiesbaden zusammenbraute, kann nur mit dem Prädikat "historisch" belegt werden. Nachdem die seit Jahren umstrittene und insbesondere von den Geberländern aus dem Süden heftig beanstandete Regelung des Finanzausgleichs zwischen den deutschen Ländern vor dem Scheitern steht, erscheint eine offene Konfrontation kaum noch abzuwenden. Die Ministerpräsidenten Seehofer und Bouffier trafen sich zu mitternächtlicher Stunde im Aschaffenburger Schloss, um eine sogenannte "Aschaffenburger Erklärung" abzugeben. Mittlerweile werden neben verschiedenen politischen Optionen mit verfassungsrechtlich einschneidenden Konsequenzen auch militärische Maßnahmen nicht mehr ausgeschlossen. Während Bayern und Hessen die Einstellung ihrer Zahlungen, den Austritt aus dem föderalen System der Bundesrepublik und die Gründung eines süddeutschen Staatenbundes andeuten und mit Rekrutierungsmaßnahmen für ein eigenständiges Militär bereits begonnen haben, befürchten Beobachter eine Eskalation mit der Möglichkeit eines Bürgerkrieges. 

 Historisches Treffen in Aschaffenburg
 
Bayerisches Wappen am Aschaffenburger
Schloss, seit Franken zu Bayern gehört
(Foto: PD)
Was war geschehen: Am Montag hatten sich die Ereignisse bereits zugespitzt, als durch die Indiskretion eines Mitarbeiters des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe bekannt wurde, dass die von Bayern und Hessen eingereichte und zur Zeit dort anhängige Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich aller Voraussicht nach abschlägig beschieden wird. Die Drähte zwischen der bayerischen und der hessischen Landeshauptstadt glühten heiß. Telefonkonferenzen der zusammengerufenen Regierungskabinette und Krisensitzungen jagten einander. Gegen Mitternacht kam es dann gestern zu einem kurzfristig anberaumten Treffen zwischen Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und seinem hessischen Amtskollegen Volker Bouffier (CDU). Als Ort der dramatischen Nachtsitzung wurde das altehrwürdige Schloss des mainfränkischen Aschaffenburg im bayerisch-hessischen Grenzgebiet gewählt. Politisch noch auf bayerischem Boden, geografisch mit entsprechender Nähe zum Rhein-Main-Gebiet, erschien den Verantwortlichen das gleichsam "auf halbem Wege" liegende Aschaffenburg für die in der Geschichte so einmalige Zusammenkunft geeignet zu sein.
 
"Aschaffenburger Erklärung" stellt Zahlungseinstellung, Austritt aus dem föderalen Verbund und Gründung eines deutschen Südstaates in Aussicht
 
Historisches Dokument:
Die Erklärung von
Aschaffenburg (Foto: PD)
Die sogenannte "Aschaffenburger Erklärung", die unter Scheinwerferlicht und von zahlreichen Kameras umringt von den beiden Regierungschefs gegen 4.30 Uhr vorgetragen wurde, gibt eine klare Linie vor: Sollte die gegenüber Bayern und Hessen und seinen Arbeitnehmern als "skandalös" und "ungerecht bis zum Abwinken" bewertete Regelung nicht "entscheidend modifiziert" werden, werde es von Seiten der beiden Geberländer, die einen beträchtlichen Teil der im Finanzausgleich verteilten Summen erwirtschaften, eine Zahlungseinstellung geben. Es könne nicht sein, dass "wir Bayern und unsere tapferen hessischen Freunde" die Mittel erarbeiteten, die "dann in Berlin und sonst wo verprasst" würden, rief Seehofer aus. "Wir zahlen nicht mehr, und wenn sich die Preußen auf den Kopf stellen", spielte Bayerns Finanzminister Markus Söder auf die historisch gewachsene Rivalität zwischen seinem Land und nordöstlicher gelegenen Provinzen an.  "Wir sind doch nicht die Melkkühe und Zahlmeister der Nation", fügte Bouffier hinzu. Sollte die Klage und damit eine angestrebte Neuregelung scheitern, werde "kein Pardon mehr" gegeben. In diesem Falle sei die Gründung der "Deutschen Südstaaten" fest eingeplant, zumal ein Gutachten der Universität Regensburg vorliege, wonach die südwestdeutschen Volksstämme eine gemeinsame Mentalität teilten. Schon in der Schlacht bei Königgrätz 1866 hätten bajuwarische und hessische Soldaten Seite an Seite mit Österreich gegen Preußen gekämpft, hieß es. Dem "preußischen Hegemonialanspruch" auch über die süddeutschen Länder müsse endlich "mit Entschiedenheit" begegnet werden, wobei historische und aktuelle politische Faktoren zusammenkämen. Dass die Schwaben und Badener bei der Klage und Kampagne gegen den Länderfinanzausgleich nicht mitgemacht hätten, sei ein "ärgerlicher Umstand", den man den "unzuverlässigen und feigen Kantonisten der Rot-Grünen" unter Winfried Kretschmann in Stuttgart verdanke. Wenn der deutsche Föderalismus und sein "in Teilen durchaus bewährtes System" zerbreche, müsse die Verantwortung auf Bundesebene und in den anderen Ländern gesucht werden. Seit Jahren werde an einer Neuregelung des Finanzausgleiches "herumgedoktert", ohne dass sich etwas bewege. "Die machen sich einen schönen Lenz im Saarland und in Bremen, in Berlin werden gebührenfreie Kitaplätze angeboten und wir dürfen das dann finanzieren", ereiferte sich etwa der ehemalige bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser. Hinter vorgehaltener Hand wurde zudem kolportiert, dass ein hochkarätig besetztes bayerisch-hessisches Beratergremium mit altverdienten Persönlichkeiten wie Edmund Stoiber, Franz Beckenbauer, Roland Koch oder Rudi Völler im Hintergrund wirke.
 
Bayern und Hessen setzen aufs Militär/Landwehr einberufen
 
Erste Einheiten der bajuwarisch-
hessischen Landstände
(Foto: PD)
 "Das Maß ist voll", verkündete Seehofer, der als bayerischer Premier aufgrund der Größe und der ökonomischen Stärke seines Bundeslandes als starker Mann hinter diesen Aktivitäten zu gelten hat. Jedoch darf das hessische Rhein-Main-Gebiet mit seinem Weltfinanzplatz Frankfurt in seiner Wichtigkeit keinesfalls unterschätzt werden. "Wir werden unseren Kurs auch militärisch absichern, wenn die anderen Länder oder der Bund Schwierigkeiten macht", hieß es unisono.  Neben den politischen und ökonomischen Faktoren kommt demnach in dieser Angelegenheit auch der militärischen Komponente eine entscheidende Bedeutung zu. Bei Auflösung der föderalen Strukturen stünden die bayerischen und hessischen Soldaten der Bundeswehr in einem Loyalitätskonflikt, mahnen Verteidigungs- und Verfassungsexperten. Daher, so geht es aus einer Mitteilung der Innenministerien beider Länder hervor, seien "bayerische und hessische Einheiten der Landwehr" bereits rekrutiert und zum Teil sogar schon "vorvereidigt". Diese bestünden, wie es weiter hieß, überwiegend aus Bauern, da bisher professionell ausgebildetes Personal fehle. Man müsse die Dinge jetzt zügig angehen, um keine Zeit zu verlieren. Wer die "militärische Karte" bei der Absicherung der bayerisch-hessischen Politik verkenne, sei naiv. Als designierter Verteidigungsminister in einem gemischtnationalen bayerisch-hessischen Kabinett ist Franz-Josef Jung vorgesehen, der als langjähriger Generalsekretär der hessischen CDU und ehemaliger Bundesverteidigungsminister über die entsprechende Erfahrung verfügt. Einen Aufruf an bayerische und hessische Angehörige der Bundeswehr, zu desertieren, wollte der in Aschaffenburg anwesende Jung gleichwohl nicht machen. Noch sei "organisatorisch und von der Infrastruktur her" manches in der Schwebe. Vieles müsse in naher Zukunft auf allen Feldern der Politik entschieden werden.
 
Wissenschaftler warnen vor Teilung der Nation und Bürgerkrieg
 
Historiker Haferkorn
(Foto: Harald Bischoff, Lizenz:
CC BY-SA 3.0)
 
Während der Rest des politischen Deutschland von dieser Entwicklung scheinbar vollkommen überrascht ist und kurzfristige Stellungnahmen verschiedener Bundes- und Landespolitiker der Parteien oder anderer Verantwortlicher sowie Medienvertreter nicht in Erfahrung zu bringen waren, warnen Verfassungsrechtler wie Professor Otto Grundwasser von der Uni Buxtehude vor einer "mutwilligen Zerstörung" des deutschen Bundesstaates. Der renommierte Friedensforscher Ludwig Freudlos dagegen befürchtet gar eine militärische Auseinandersetzung, die nach dem Modell des amerikanischen Bürgerkrieges Mitte des 19. Jahrhunderts "die deutsche Nation" teilen könne. Diesmal verlaufe die Trennlinie nicht, wie im Kalten Krieg, zwischen freiheitlicher Demokratie und Marktwirtschaft einerseits und Diktatur und Kommunismus andererseits. Jedoch gebe es jenseits des Themas "Sklaverei" sozioökonomische Verteilungskämpfe und Rivalitäten, die an den amerikanischen Bürgerkrieg erinnerten. Allzumal, wie es ein Historiker aus Gütersloh bekundete, die "Konfrontationsstruktur Nord-Süd" gegeben sei, wenn auch der ökonomisch stärkere Part sich diesmal im höher entwickelten Süden befinde. Der Geschichtswissenschaftler wollte gleichwohl nicht so weit gehen, die Vorgehensweise von Bayern und Hessen in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Rolle der Konföderierten, also der amerikanischen Südstaaten im damaligen Bürgerkrieg zu bringen. Dennoch seien in starkem Maße "sezessionistische Kräfte" am Werk, die scheinbar die Unabhängigkeit ihrer Länder wollten. Dagegen sprach etwa der Historiker Alois Haferkorn von der Universität Passau (siehe unser Bild) von einem "überfälligen und folgerichtigen Akt der Selbstbehauptung" der Bayern und Hessen.                      

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