Freitag, 31. Juli 2015

Türkei macht ernst mit Menschenrechten: IS-Terrormiliz und ihre Gegner werden bekämpft!

Ankara erkennt plötzlich Gefahr des IS/Alte Feindschaft zu Kurden wiederentdeckt/Nato sprachlos
 
Von Siegfried Richter
 
Der türkische Präsident Erdogan bei
einer Rede (Foto: Richter/KA)
 
Ankara. Was lange währt, wird endlich gut. Die ohnehin üppig vorhandene Menschenrechtstradition der Türkei im Inneren wie im Äußeren wird um ein bedeutendes Kapitel bereichert. Nachdem das Wüten der Barbaren des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) vor der Haustür des Osmanenreiches in Syrien und im Irak die Humanisten um Präsident Erdogan und innerhalb der türkischen Regierung in der Vergangenheit nicht zum Eingreifen veranlasst hat, stehen nun die Zeichen auf Sturm. Ein Attentat auf türkischem Boden führte den moralisch und religiös höchsten Ansprüchen genügenden Machthabern am Bosporus vor Augen, dass das Treiben der Gotteskrieger trotz barbarischer Akte gegen Jesiden, Kurden und Christen doch nicht ganz so harmlos zu sein scheint. "Das bestialische Abschlachten, Verschleppen und Vergewaltigen von Frauen und Mädchen hat uns nicht zum Eingreifen bewogen, aber ein Anschlag in der Türkei geht gar nicht", erklärt ein Regierungssprecher die Motivlage für die militärischen Aktionen gegen den IS. Dass dabei auch die alte Feindschaft zur kurdischen Arbeiterpartei PKK, die verzweifelt und tapfer zusammen mit den Peschmergern gegen den religionsfaschistischen und einem Völkermord gleichkommenden Terror des IS kämpft, von den Türken wiederbelebt wird, dokumentiert dabei nur die stringente und konsequente Menschenrechtspolitik Ankaras. "So können wir in einem Aufwasch gleich noch die Kurdenfrage einer endgültigen Lösung zuführen", freut sich Erdogan und verweist darauf, dass in den letzten Tagen die IS nur sporadisch, die kurdischen Verbände aber intensiv bombardiert worden sind. Die Prioritätensetzung ist klar: Das eigentliche Problem sind die Kurden, die Minderheitenrechte in der Türkei für sich beanspruchen und sogar einen eigenen Staat in der Region fordern. "Wir bomben jenseits unserer Grenzen gegen die PKK fröhlich drauflos, diffamieren und kriminalisieren kurdische Oppositionspolitiker in der Türkei und die Nato lässt uns gewähren", fügt Erdogan spitzbübisch hinzu. Dass die PKK seit Jahren einen Waffenstillstand unterstützt hat, kümmert den Präsidenten bei seiner Aufkündigung des Friedens nicht. Der einst vorbestrafte Islamist und Nationalist, der insbesondere in linken Kreisen in Deutschland jahrelang als Reformer und Hoffnungsträger für eine EU-Mitgliedschaft seines Landes galt, sieht einen "Freifahrtschein gegen alle Terroristen" für seinen Kurs als gegeben an. Und in der Tat: Wer in wenigen Jahren seiner absolutistischen Herrschaft mit Unterstützung der türkischen Mehrheitsgesellschaft die Restbestände des kemalistisch-säkularen Staates beseitigt hat, das Militär als Garant jener Ordnung durch inszenierte Schauprozesse entmachtet hat, unliebsame Bürgerrechtler in schöner Regelmäßigkeit auf den Straßen und Plätzen zusammenprügeln lässt oder unabhängige Staatsanwälte, Richter und Polizisten strafversetzt, der wird auch mit den Kurden fertig. Dass die AKP Erdogans mit nationalistischer und religiöser Hetze bei anstehenden Neuwahlen reüssieren dürfte, werten Beobachter als klares Zeichen für die hochentwickelte politische Kultur der Türkei. Kein Wunder: Wer seit Jahrzehnten den Völkermord an den christlichen Armeniern leugnet, mit dem sogenannten "Türkentum-Paragraphen" alle Andersdenkenden verfolgt und überdies seit Jahren gegen Israel hetzt und tobt, der hat sich eine Sonderstellung in der Region verdient. Der Westen und die Nato-Partner schweigen trotz mancher Kritik mehr oder weniger. Gut, dass das Nordatlantische Bündnis als Ausdruck der westlichen Wertegemeinschaft einen solchen Verbündeten hat, der von an der Grenze zu Syrien stationierten deutschen Soldaten auch noch beschützt wird. Die Türkei schafft Fakten und ermordete sowie gequälte Seelen wie die der Jesiden, Kurden und Christen zählen nicht wirklich. Schließlich sind die Jesiden und Christen ja keine Muslime. Und die Kurden sind auch keine richtigen Muslime und Türken. Da wird das lange und vollständige Zusehen beim Terror des IS, die mindestens indirekte Unterstützung auch durch die Behandlung von IS-Kämpfern in türkischen Hospitälern und die Duldung entsprechender Terroristen im Land sowie etwa die finanzielle Stärkung des IS durch Ölkäufe zum Kalkül und verständlich.  Und wehe jenen Türken, die dies anders sehen. Der Schlagstock Erdogans wartet. Glückliche Osmanen fürwahr!  Und ein Halleluja dem Halbmond!          

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