Donnerstag, 16. Juli 2015

Wie es wirklich um Darmstadt 98 steht: Ruhe vor dem Sturm und blanke Nerven!

Sensationsaufstieg in die Bundesliga verdeckt wirkliche Lage/Medien viel zu positiv/Stimmung im Umfeld trotz Beschönigungen der Verantwortlichen mies/Trainer Schuster erhält von Präsidium letzte Chance/Anonymer Anruf eines Spielers brachte Sache ins Rollen/Bestechungsvorwürfe aus Offenbach
 
Von Chefredakteur Siegfried Richter
 
Aufgrund der anhaltenden Misserfolge
werden die Fans der "Lilien" immer
weniger (Foto: Richter/KA)
Darmstadt. Wenn man den medialen Hype und die Lobeshymnen für den SV Darmstadt 98 nach dem Aufstieg in die erste Fußball-Bundesliga in diesem Sommer zum Maßstab macht, könnte man fast so etwas wie eine Erfolgsgeschichte hinter der jüngsten Entwicklung der "Lilien" vermuten. Wie aber sieht es hinter den Kulissen und damit wirklich um den Club aus dem Südhessischen aus? Gründliche Recherchen im Umfeld des Vereins vom Böllenfalltor ergeben ein gänzlich anderes Bild. Es herrscht die Ruhe vor dem Sturm und die Nerven liegen blank. Trainer Dirk Schuster, angeblich ein Erfolgstrainer, ist nur noch auf Bewährung angestellt. Die Stimmung in Mannschaft und Umfeld ist desolat. Die zum Teil erschreckenden Verhältnisse hinter der scheinbar so idyllischen Fassade aufgedeckt zu haben, ist ein Verdienst dieser Zeitung. Alle Hintergründe hier und ausführlich im Kalauer Anzeiger!


Weckruf eines Spielers alarmiert Chefredaktion des KA/Lage des Vereins zum Teil erschreckend/Medien beschönigen

 
Als er von der Misere der Darmstädter
erfuhr, machte er gleich das Thema
zur Chefsache und setzte diesen
Artikel auf: KA-Chefredakteur
Siegfried Richter (Foto:Richter/KA)
Alles fing an mit einem Anruf in unserer Sportredaktion. Unser verantwortlicher Redakteur, der erfahrene Reporter Franz Fass, staunte nicht schlecht über das, was er da hörte. Ein Darmstädter Spieler, der anonym bleiben wollte, klagte ihm am Telefon sein Leid. Die Lage des Vereins sei schlecht bis miserabel, die Stimmung mies. Der Trainer habe jede Autorität bei der Mannschaft verloren. Auch die Fans seien enttäuscht und ihre Geduld neige sich langsam dem Ende entgegen. Die Öffentlichkeit dagegen werde mit "beschönigender Hofberichterstattung" der regionalen und überregionalen Medien über die wirkliche Situation im Unklaren gelassen. Sofort kontaktierte unser Mitarbeiter die Chefredaktion. Die Bombe war geplatzt. Dem KA blieb nichts anderes übrig, als die Angelegenheit zur Chefsache zu machen.
 
Letztjähriger Aufstieg in die zweite Liga legte bereits Konzeptionslosigkeit des Trainers offen/Frust der Fans beim Spiel in Bielefeld/Präsidium ließ Entwicklung einfach laufen/OFC-Fan äußert Bestechungsvorwürfe gegen Darmstadt und DFB wegen Lizenzentzug der Kickers
 
Nach dem Spiel gegen Bielefeld:
Restlos enttäuschte Fans der 98er
(Foto: Richter/KA)
 
Was hatte Trainer Dirk Schuster, als er 2013 den Verein in der dritten Liga übernahm, nicht alles versprochen. Man werde die Klasse halten und den Club mittelfristig sportlich und finanziell konsolidieren. Doch schnell bröckelte die erzeugte Aufbruchsstimmung des charmanten Sachsen und legte die Konzeptionslosigkeit des Fußballlehrers schonungslos frei. Gut eineinhalb Jahre später war der Anspruch auf den Klassenerhalt mit dem Aufstieg in die zweite Bundesliga nur noch Makulatur. Dabei wurde das angestrebte Ziel um Längen verpasst und zudem mit dem Relegationsspiel in Bielefeld den treuen Anhängern der "Lilien" eine vollkommen unnötige und psychisch belastende Aufregung beschert. "Eine Zumutung, meine Nerven so zu strapazieren, als hätte man im Leben nicht schon genug Sorgen und Ängste", schimpfte damals ein 78jähriger Rentner aus Darmstadt-Eberstadt. Solcherlei seelische Belastungen habe es früher bei den 98ern so nicht gegeben. "Der Schuster hat uns den Klassenverbleib versprochen und jetzt sehen sie, was passiert ist", sprach der langjährige Fan von "leeren Worten und großen Versprechungen". Während die Verantwortlichen des Vereins und die Medien den Aufstieg als "Sensation" feierten, war es bereits unmittelbar nach dem Schlusspfiff in Bielefeld ob des verfehlten Saisonzieles unter den mitgereisten Anhängern zu Frustattacken gekommen. Junge Männer betranken sich sinnlos, sangen sich im Fanblock mit sarkastischem Unterton mit dem Lied "Nie mehr dritte Liga" die Enttäuschung von der Seele. Schon im Heimspiel gegen Union Berlin (5:0) war es Wochen zuvor zu ersten größeren Unmutsbekundungen seitens der Zuschauer gekommen, als ein empörtes "Wir haben die Schnauze voll" von den Rängen zu vernehmen war. Präsident Rüdiger Fritsch und seine Mitstreiter im Präsidium jedoch sahen sich durch diese alles andere als erfreuliche Entwicklung keinesfalls zum Handeln gezwungen. Vielmehr ließ man den Trainer und die Mannschaft, die auch einen nicht geringen Anteil am klar verfehlten Klassenziel hatte, einfach weiter machen. "Die haben doch gepennt und geglaubt, sich weiter durchwursteln zu können", regte sich der Rentner auf. Warum maßgebliche und einflussreiche Kreise insbesondere der Sportpresse diese sich schon seinerzeit abzeichnende Misere nicht erkannt haben, bleibt ein Mysterium und rückt das ach so "kritische Bewusstsein" der Journalisten in kein besonders gutes Licht.
 
Allzumal an einem potentiellen Skandal größter Ordnung beharrlich vorbeigeschrieben wird, um dies mit einem Mantel des Schweigens zu umhüllen. Ein Fan des hessischen Rivalen Kickers Offenbach nämlich machte noch eine ganz andere Rechnung auf, die erst jetzt im Zuge unserer Recherchen ans Tageslicht kam. "Da haben doch mit Sicherheit die Darmstädter und der DFB dran gedreht", echauffiert sich der Dauerkartenbesitzer vom Bieberer Berg und unterstellt "Bestechung und Korruption". In der Saison 2012/13 hatte der OFC wegen einer angeblichen Schuldenlast von mehr als 9 Millionen Euro die Lizenz verloren und war in die Regionalliga zurückgestuft worden. Den freien Platz in der dritten Liga hatte der sportlich eigentlich abgestiegene SV Darmstadt 98 bereitwillig eingenommen. "Da haben doch bestimmt diese Hainer und der DFB gemeinsame Sache gegen uns gemacht", hält der langjährige Kenner der Offenbacher Szene eine Verschuldung oder wie auch immer geartete finanzielle Unregelmäßigkeiten bei seinem Verein für nahezu ausgeschlossen. "Alles Verleumdung und Verschwörung", fügt er hinzu. "So etwas gab es nie beim OFC."
 
"Durchmarsch in die erste Liga" und "Bescheidenheit" als Darmstädter Propaganda entlarvt/Krasses Versagen von Trainer, Präsidium und Mannschaft/Fans flippten nach Spiel gegen St. Pauli aus/Tumulte in Darmstädter Innenstadt von Medien umgedeutet
 
Wie hier in Leipzig lag der SVD
in den letzten zwei Jahren fast immer
zurück. Dennoch spricht die Vereins-
propaganda von "Durchmarsch"
(Foto: Richter/KA)
Als wäre die vorherige Entwicklung nicht bedenklich genug gewesen, setzten die Darmstädter dann in der abgelaufenen Spielzeit in diesem Jahr noch einen drauf. War nach dem Aufstieg in die zweite Liga erneut der Klassenerhalt als Zielvorgabe ausgegeben worden, so scheiterte der Verein an diesem durchaus ehrgeizigen Ziel erneut. Wieder wurde der angestrebte Tabellenplatz eindeutig verfehlt. Anstatt sich im Abstiegskampf die nötigen Punkte zu sichern, trieb man sich in gänzlich anderen Sphären der Tabelle herum. "Wenn man das anvisierte und vollmundig verkündete Ziel so klar verpasst, sollte man einmal in sich gehen und über seine Fehler nachdenken", kommentiert unser besagter Rentner (aus Gründen des Quellenschutzes verzichten wir auf die Veröffentlichung seines Namens). Beklagt wird die "anhaltende und vollständige Konzeptions- und Ideenlosigkeit" von Trainer und Präsidium. Keiner handele, niemand tue etwas gegen den "offensichtlichen Verfall" des Vereins. Es seien, so der fachkundige Mann weiter, die falschen Spieler geholt und dann auch noch auf die völlig falschen Positionen gesetzt worden. "Die Spieler sind faul und unwillig", so das klare Urteil, das von "eklatanten Schwächen im läuferischen und kämpferischen Bereich" ausgeht. Ein Mann wie Mittelstürmer Dominik Stroh-Engel etwa hätte mit seiner Größe viel besser ins Tor gepasst, wundert sich der ehemalige Hobby-Philosoph der Technischen Universität Darmstadt über die Aufstellungen des Trainers. Und die Statistik gibt ihm mehr als recht. So war besagter Stroh-Engel schon in der Drittliga-Saison als Sturmführer über kärgliche 27 Tore nicht hinausgekommen. "Bei dem Verein wundert mich nichts mehr", schüttelt auch seine Frau nur noch den Kopf.
 
Anstatt sich jedoch mit den zahlreichen Kritikpunkten ernsthaft auseinanderzusetzen, gefiel und gefällt sich der Verein darin, von den Medien noch unterstützt und bestärkt, sich in Beschönigungen zu ergehen. "Das Gerede vom Durchmarsch und dem angeblich sensationellen Aufstieg ist doch alles nur Gerede", entlarvt eine unserer Quellen die Darstellung der Verantwortlichen als das, was sie augenscheinlich ist: Eine von Durchhalteparolen und Alibis gespeiste Propaganda. Die Verantwortlichen wollen so von ihrem Versagen und von der Tatsache ablenken, dass bereits zweimal hintereinander das ausgegebene Saisonziel klar verfehlt wurde. Auch die offensiv kommunizierte "Bescheidenheit" der Darmstädter ist nicht mehr als ein Versuch, die wahren Tatbestände zu verdecken. So hat der Verein im letzten Jahr einen Etat von 5 Millionen Euro gehabt, in dieser Saison stehen sogar pralle 15 Millionen Euro zur Verfügung. "Was könnte man mit dem Geld nicht alles machen", seufzt unsere Quelle und verweist das Argument, die "Lilien" hätten zu wenig Mittel, in den Bereich der Legende.
 
Wütende Darmstädter Fans nach dem
Spiel gegen St. Pauli und dem Aufstieg
in die erste Liga: Wieder den Klassen-
erhalt verfehlt (Foto: Richter/KA)
Deutlich wird diese Einschätzung auch, wenn man sich noch einmal die Vorkommnisse nach dem Spiel gegen den FC St. Pauli und dem Aufstieg am letzten Spieltag vergegenwärtigt. Entgegen der unkritischen Jubelarien durch Verantwortliche und Medien reagierten zahlreiche Zuschauer ganz anders. Nach Schlusspfiff kletterten frustrierte Fans auf die Zäune und stürmten das Spielfeld. Maßlose Enttäuschung über das verfehlte Ziel machte sich, von den Medien verschwiegen oder noch als begeisterte Zustimmung und enthusiastischer Jubel umgedeutet, in wütenden und zum Teil destruktiven Handlungen und Protestformen breit: Torstangen wurden illegal besetzt, Tornetze herausgeschnitten, Rasenstücke gewaltsam vom Spielfeld entfernt und nach Hause getragen. Letzteres scheinbar in der Annahme, dass in Darmstadt ohnehin die Lichter ausgehen und das Spielfeld zukünftig nicht mehr gebraucht wird. Dies setzte sich später in der Innenstadt fort, als Lokale und Bierbuden von der aufgebrachten Menge gestürmt und nach Angaben der Polizei große Schäden im Bereich der Leber angerichtet wurden. Stundenlang wurden Straßen und Plätze der einst großherzoglichen Residenzstadt von hupenden Autos und anschwellenden Menschenmassen besetzt gehalten, zeitweise brach die öffentliche Ordnung vollends zusammen. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen müssen mindestens Teile der Mannschaft, des Präsidiums und nicht zuletzt Trainer Schuster dies auch als Bedrohung empfunden haben, kamen sie doch erst im Morgengrauen und von einer langen und schweren Nacht gezeichnet aus den Katakomben des städtischen Ratskellers geschlichen. Der Trainer selbst gab am nächsten Tag im Rahmen einer sogenannten "Aufstiegsfeier", die unnötigerweise auch noch im Programm des Hessischen Rundfunks ausgestrahlt wurde und eher unter der Kategorie "Trauerspiel" hätte laufen müssen, dann auch seinen wahren Zustand preis. "Ich weiß nicht, ob ich heute Nacht geschlafen habe. Mir fehlen da ein paar Stunden", soll sich Schuster so oder so ähnlich geäußert haben. Deutlicher lässt sich die Misere der Darmstädter nicht dokumentieren: Selbst der Coach, scheinbar unter Alkoholeinfluss im Bewusstsein getrübt, versucht der Verantwortung für die Situation zu entfliehen. Was will man dann erst von den Spielern erwarten? Aber so leicht werden es sich die Darmstädter nicht machen können. "Man muss jetzt auch einmal die Position des Trainers hinterfragen", hatte Spieler Stroh-Engel noch im Stadion das zweimalige Verfehlen des Saisonzieles kommentiert. Scheinbar im Spaß. Der Spieler "Toni" Sailer, seines Zeichens Publikumsliebling, wiederum hatte sich auf das Dach des Spielerganges vor der Haupttribüne gestellt und Bier auf seine Kameraden heruntergegossen. Auch dies scheinbar im Spaß. Aber angesichts der wirklichen und äußerst prekären Lage kann nun niemandem mehr ernsthaft nach Späßen zumute sein. 
 
Präsident Fritsch denkt um/Ultimatum an Trainer Schuster/Charakterlose Spieler beklagt/Zuschauer bleiben weg/So kann es nicht weitergehen
 
Wer den SV 98 beim Training sieht,
bemerkt den saft- und kraftlosen
Zustand der Truppe (Foto: Richter/KA)
Ohne etwa auf die Bestechungsvorwürfe aus Offenbach einzugehen oder seine eigenen Fehler bei der Verpflichtung des Trainers und der Spieler ausführlich zu thematisieren, scheint bei Präsident Fritsch jedoch mittlerweile ein Umdenken erfolgt zu sein. Nach einem längeren Gespräch mit den verantwortlichen Redakteuren des Kalauer Anzeiger ist nun auch der starke Mann der "Lilien" davon überzeugt, dass es so nicht weitergehen kann. "Wir müssen handeln und zwar schnell", ist sich der sonst für seine lockere Gelassenheit bekannte Mann sicher. So habe es bereits vor Tagen ein Ultimatum an den Trainer gegeben, wonach "endlich ein schlüssiges Konzept zur Weiterentwicklung des Kaders" vorzulegen sei, um die Perspektive des Vereins nicht zu gefährden. "Zu lange haben wir alle zugeschaut und das ständige Verpassen der ausgegebenen Ziele hingenommen und uns über die wahren Verhältnisse im Verein getäuscht", äußert Fritsch dann doch so etwas wie Selbstzweifel am eingeschlagenen Kurs. Allerdings gibt er den Medien eine Mitschuld, die "einfach zu positiv über uns" berichtet hätten. Man könne, so der Präsident weiter, doch bei anderen Vereinen sehen, dass man durch falsche Weichenstellungen und naive Illusionen innerhalb weniger Jahre die gesamte Existenz eines Traditionsclubs aufs Spiel zu setzen in der Lage sei. Dies müsse in Darmstadt begriffen werden, bevor alles zu spät sei. Auch den Charakter der Spieler zog Fritsch in Zweifel: "Man hat doch gesehen, dass die nicht bereit sind, alles für den Verein zu geben." Dieses "lasche und unmotivierte Auftreten" habe schon in der abgelaufenen Saison zu erschreckenden Zuschauerzahlen geführt, wonach zuletzt kaum mehr als 16 000 die Heimspiele besucht hätten. Gleichwohl wollte Fritsch nicht offenbaren, bis wann das besagte Ultimatum an den Trainer gültig sei.
 
 Gut informierte Greise, die täglich beim Training der Mannschaft auf dem neu errichteten Übungsgelände am Böllenfalltorstadion zusehen, wollen jedoch schon mehr wissen. "Wenn wir am Ende der Saison wieder unsere Ziele verfehlen und in ganz anderen Bereichen der Tabelle stehen, ist Schuster nicht mehr zu halten", hieß es. Auch dies zeigt, dass mittlerweile die Nerven aller Beteiligten blank liegen und so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm herrscht. Da ein weiterer Aufstieg aus organisatorischen und ligatechnischen Gründen nicht mehr in Frage kommt, was sich der Verein selbst zuzuschreiben hat, kann das nur eines bedeuten: Wenn Darmstadt 98 sich am Ende der neuen Spielzeit für den Europapokal qualifizieren sollte, wäre Schuster sofort entlassen. Aber dann ist es möglicherweise schon zu spät.                                  

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