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Der mächtigste Berg der Tittsteiner Alpen hat sich scheinbar bedrohlich nah an einen Berghof geschoben (Foto: Vikater/PD) |
München. Mit Wundern ist das so eine Sache. Nur in Schlagern gibt es sie immer wieder, ansonsten kommen sie doch eher selten vor. Manche Pessimisten behaupten sogar, es gäbe diese Erscheinungen überhaupt nicht. Letztere müssen sich allerdings aufgrund der jüngsten Vorgänge im oberbayerischen Maria Schell möglicherweise eines Besseren belehren lassen. Grund ist die nicht einfach leichtfertig zu ignorierende Behauptung, dass der mächtigste Berg der Tittsteiner Alpen gleichsam über Nacht verschoben wurde. Während die örtliche Bevölkerung die Begebenheit als "Wunder des Glaubens" feiert und auf die jahrhundertealte Frömmigkeit in dieser Region zurückführt, träumt der Bürgermeister bereits von einem Wallfahrtsort. Experten bleiben skeptisch.
Als ein Kleinbauer der 300-Seelen-Gemeinde am Fuße der berühmten Tittsteiner Bergkette an einem strahlend blauen Vorfrühlingsmorgen zu der Scheune seines kleinen Bauernhofes gehen wollte, traute er seinen Augen kaum. Beim Anblick seines gewaltigen Hausberges wollte er festgestellt haben, dass der im Volksmund als "Buckelhaube" bezeichnete Berg, der seit dem Abbruch der Zugspitze vor drei Jahren der höchste Berg Bayerns ist, näher an sein Gehöft gerückt sei. Sogleich eilte die durch sein Geschrei geweckte Ehefrau aus dem über 100 Jahre alten Gebäude, das sich mit seinem englischen Landhausstil malerisch in die romantische Landschaft einfügt, Zenzi Oberhammer entfuhr ein erstauntes "Ach". Es war unübersehbar, dass sich das beeindruckende Bergmassiv seit gestern bewegt haben musste. Menschen, die seit Urzeiten mit der Natur in Einklang leben, spüren die kleinsten Veränderungen nahezu körperlich.
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Die idyllischen Tittsteiner Alpen bei Maria Schell in Oberbayern (Foto: Jessibuar/PD) |
Inzwischen war es mittags und die aus der Landeshauptstadt herbeigeeilten Experten begannen unter reger Anteilnahme der Bevölkerung mit einer umfangreichen Vermessung des Berges. Während Bauer Oberhammer von mindestens 30 cm ausgeht, die der Berg sich in Richtung seines Hauses bewegt haben muss und den Anwesenden mit lange ausholenden Handbewegungen die angenommene Veränderung im rechten Winkel des linken Grades anvisierte, folgte eine gewisse Ernüchterung. Die Geologen stellten das Ergebnis ihrer Untersuchungen für den Sommer in Aussicht, schätzten die Einlassungen der örtlichen Beobachter allerdings als eher unwahrscheinlich ein. Professor Schenkelhuber vom Institut für Amorphe Alpinistik in München wies darauf hin, dass Veränderungen dieser Größenordnung nur bei Vulkanausbrüchen oder Bergen in unmittelbarer Nähe zu Verschiebebahnhöfen vorkämen. Überdies sei den Längenangaben von Männern grundsätzlich eher zu misstrauen, wie seine Assistentin hinzufügte.
Die Dorfbevölkerung reagierte mit einem gewissen Unwillen, diese Ausführungen zu akzeptieren. Der Bürgermeister wollte die Meinungen der Experten nicht überbewertet sehen und gab als Parole aus, dass die Angelegenheit mindestens bis zur nächsten Kommunalwahl 2019 offengehalten werden müsse, um Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze nicht zu gefährden.
Natürlich war die Nachricht über die Ereignisse in den Tittsteiner Alpen inzwischen auch bis ins politische München und in höchste Regierungskreise vorgedrungen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hielt sich ob der unsicheren Beweislage bedeckt, wollte aber am Abend nichts ausschließen. "Wir in Bayern sind immer für eine Überraschung gut und ruhen fest in unserem Glauben", hielt der Landesvater auch die theologische Interpretation für nicht abwegig. Die notorisch oppositionellen Sozialdemokraten dagegen stufen die Geschehnisse eher als, wie es der scheidende Münchner Oberbürgermeister Christian Ude ausdrückte, "Spektakulum Bavariae" ein, mit dem die Landespartei wieder einmal das Volk zum Besten halten wolle. In gut drei Monaten werden die geologischen Untersuchungen abgeschlossen sein. Dann wird die Welt wissen, ob der Glaube wirklich Berge versetzen kann.
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