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Vollbesetzte Tribüne bei der Fart
Cologne (Foto: Richter/KA) |
Köln. In der Domstadt war am Wochenende wieder einmal die Hölle los. Wer gedacht hatte, dass der Rosenmontagsumzug der verblichenen Karnevalssaison schon der Höhepunkt der Festspielzeit gewesen wäre, der wurde auch in diesem Jahr wieder einmal eines Besseren belehrt. Über 50 000 Besucher drängten sich zwei Tage lang durch die Messehallen von Köln. "Es wurde gefurzt, was die Unterhose hergab", umriss der Zweite Vorsitzende des 1. Kölner Furz-Clubs (nicht zu verwechseln mit dem Fußballverein des 1. FC Köln) die Szenerie. Nach der launigen Eröffnung durch Oberbürgermeister Heinrich Böll und einem Festvortrag des Furzbeauftragten der Stadt Köln sorgten verschiedene Wettbewerbe und Vorführungen für Kurzweil und Unterhaltung. Begeisterung kam beim Abschlusskonzert mit Roberto Blanco und Guildo Horn auf. Obwohl zwischenzeitlich die Luftverhältnisse in den Hallen für Atemnot bei einigen Besuchern sorgten, gelang die Veranstaltung auf ganzer Linie. Die zunehmende Bedeutung des Furzens spiegelte sich am Rande der Messe auch in Form eines umfassenden Begleitprogramms mit einem wissenschaftlichem Colloquium eindrucksvoll wider. Längst existiert eine Vielzahl von Büchern über eine längst historisch gewordeneThematik und Kunst, die allenfalls noch Kulturbanausen geistig verschlossen bleiben kann.
Eröffnung und Geschichte
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Schon im Wilden Westen wurde
gefurzt, was die Gewehre her-
gaben (Foto: PD) |
Trompetenstöße ertönten fanfarengleich schon bei der Eröffnung, ehe Oberbürgermeister Heinrich Böll den Startschuss für das alljährliche fröhliche Treiben gab. "Jetzt kommen die fröhlichen Tage", sang dazu passend die Zeltinger Band. Das bunte Programm beinhaltete auch in diesem Jahr wieder die beliebten Ausdrucksformen jener künstlerischen Avantgarde, die sich das Pupsen schon im ausgehenden 18. Jahrhundert auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Womit wir bei der Geschichte wären. Seit das Kölner Kunstamt 1674, seinerzeit noch unter der Ägide des legendären Oberbürgermeisters Konrad Adenauer, diese akustische Form des Ausdruckes offiziell zur Kunst erhob, hatte sich die Fart Cologne zur beliebtesten Veranstaltung dieser Art westlich des Mississippi entwickelt. Dass die Kölner nicht nur ein lustiges Völkchen sind, sondern schon seit der Römerzeit eine internationale und damit weltläufige Einstellung haben, zeigte sich daran, dass man den englischen Ausdruck "Fart" (Furzen; to fart-furzen) schon früh aufgriff. All diese historischen Bezüge beinhaltete der glänzend vorgetragene Festvortrag des Furzbeauftragten der Kölner Stadtreinigung, der viele zuvor eher unwissende Furzfreunde im Publikum in seinem annähernd dreistündigen Referat über die Grundsätze dieser Kunstgattung aufklärte. Mit besonderem Interesse wurden die Ausführungen zur Geschichte des Furzens vom Publikum aufgenommen. Etwa die Information, dass es seinerzeit schon im Wilden Westen hoch herging und einem gewissen Buffalo Bill 1873 das Novum gelungen war, mit einem Furz einen Menschen zu erschießen. Oder wer hätte jenseits von Experten und Furzologen noch gewusst, dass im Juni 1932 von Dr. Knallberger die erste Furzmaschine der Neuzeit erfunden worden war. Das hatte es seit der Antike bei Zeus nicht mehr gegeben. Seine launigen Ausflüge in die Geschichte des Furzens untermalte der Kölner Furzbeauftragte immer wieder mit praktischen Beispielen, wodurch der Auftritt zu einer fulminanten Einführung in die Materie und zu einem akustischen Hochgenuss geriet. "Wenn das ruchbar wird, ist mein guter Ruf uriniert", wollte der Vortragende gleichwohl seinen Namen nicht nennen.
Mannigfaltige Wettbewerbe und Vorführungen
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Furzte Goethe: Arbeitsloser
aus Gütersloh (Foto: Richter/KA) |
Auch in diesem Jahr verfolgten die Besucher aus nah und fern die zahlreichen Wettbewerbe und Vorführungen daher mit nicht enden wollenden Beifallsstürmen und orgiastisch anmutender Euphorie. Lautfurzen, Weitfurzen, Melodienfurzen: Die abwechslungsreiche Palette dieser Kunst, die manche auch als Sportart sehen, kannte keine Grenzen. Bei einer waghalsigen Vorführnummer der Akrobatengruppe "Laue Lüfte" hielten die Zuschauer bzw. Zuhörer die inzwischen schon etwas abgestandene Luft an und atmeten tief durch. Als dann das Kunststück gelungen und ein Pups durch ein Nadelöhr gezaubert wurde, brandete großer Beifall auch bei den vielen anwesenden Kindern auf. Eine Neuerung bedeutete die Austragung eines sogenannten POesiefurzens. Dabei werden Gedichte, von der Klassik bis zur modernen Lyrik, mithilfe der entsprechenden Darstellungsformen vorgetragen und dann von einer hochkarätig besetzten Jury bewertet. In der Bewertungskommission saßen unter anderem Wolfgang Niedecken und Lukas Podolski. Obwohl ein junger Germanistikstudent sämtliche Strophen aus Schillers "Glocke" zum Besten gab und dabei immer wieder vom Beifall auf offener Szene durch das literaturkundige Publikum unterbrochen wurde, gewann den Wettbewerb am Ende ein arbeitsloser Dachdecker aus Gütersloh mit seiner Interpretation von Goethes "Wanderers Nachtlied". Obwohl sich demnach, wie ein Kulturkritiker einer großen deutschen Tageszeitung so treffend schrieb, "eher eine Mischung aus Romantik und einer kurzen und knackigen Stilistik durchsetzte", soll im nächsten Jahr auch ein Prosawettbewerb ausgelobt werden. Dass im "hillije Kölle", von rheinischer Religiosität und Frömmigkeit geprägt, sich dann möglicherweise ein katholischer Priester an eine Neufassung des Alten Testamentes macht, wollten Beobachter nicht ausschließen. Erinnert wurde in diesem Zusammenhang auch an das überlieferte Zitat des großen Reformators Martin Luther, der mit dem Satz "Warum rülpset und furzet Ihr nicht, hat es Euch nicht geschmecket" die eher rustikalen Umgangsformen des 16. Jahrhunderts heraufbeschworen hatte. Andere Zeiten, andere Sitten: So möchte man da sagen. Der literarische Teil der Messe ging dann mit einem Vortrag von Professor Emanuel Pupsberger wissenschaftlich zu Ende, der in seinem Vortrag über "das Furzen als neuzeitliche Ausprägung alttonaler Rhythmik" als Germanist und Musikforscher den Bogen von jahrtausendealten Kulturen in der Südsee bis in das moderne Industrie- und Technikzeitalter spannte.
Abschlusskonzert mit Begeisterung aufgenommen
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Der Shanty-Chor Stinkpiraten
(Foto: Richter/KA) |
Der Abschlussabend machte dann aus Halle 1 des Messegeländes ein Tollhaus. Vielumjubelt war das Konzert der "Stinkpiraten", eines Shanty-Chors aus Schleswig-Holstein. Als der vielköpfige Männerchor sein neues Lied "Wenn die Winde gehen, sehen wir uns wieder" schon auf die Fart Cologne 2016 einstimmte, gab es im Publikum kein Halten mehr. Die Massen drängten vor die Bühne. Wildfremde Menschen umarmten sich, stoben in wilder Raserei aufeinander zu und voneinander weg und machten damit diesen emotionalen Höhepunkt der Messe auch zu einem Happening für die Liebe unter den Menschen. Guildo Horn, der aus Trier herübergekommen war, verwandelte die Halle mit seiner Ballade "Guildo hat Euch lieb, auch wenn's manchmal Donner gibt" beinahe in ein romantisches Liebesnest. Anschließend sang Roberto Blanco sein "Ein bisschen Gas muss sein", bevor zum Ausklang dann das Deutschlandlied der rundum gelungenen Veranstaltung einen feierlichen Abschluss gab. "Schee woas", seufzte hernach ein Ehepaar, das eigens aus Bayern angereist war.
Einige Besucher fast erstickt
Einziger Wermutstropfen blieb die kurz nach Beendigung der Messe veröffentlichte Polizeistatistik, nach der während der Veranstaltung aufgrund der "intensiven Geruchsentwicklung" Hunderte von Teilnehmern in ein nahegelegenes Sauerstoffzelt getragen werden mussten. Dort wurde ihnen eine Frischluftzufuhr gewährt. "Viele standen vor einer Ohnmacht. Wir haben da einige Menschen sogar vor dem Erstickungstod gerettet", freute sich ein Sanitäter über die gelungenen Versorgungsleistungen. "Aber dafür sind wir ja da", spielte er auf seine vorbildliche Berufsauffassung an. "Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse", hieß es aus Polizeikreisen.
Wissenschaftliches Colloquium und Literatur
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Das Furzen im Walde als Happening
(Foto: Richter/KA) |
Als Begleitprogramm fand in einem Hörsaal der Universität ein wissenschaftliches Colloquium über das Thema "Der Furz in seiner Zeit: Ein soziologisches und kulturhistorisches Phänomen auf dem Prüfstand" statt, bei dem zahlreiche Experten aus dem In- und Ausland kontrovers diskutierten. Professor Hubertus Knallbeutel, Gesellschaftswissenschaftler und Kunstkritiker von der Soziologischen Fakultät der Universität Köln, etwa rief das Furzen zur "neuen Kunstform" aus und beklagte eine in weiten Teilen des akademischen Milieus immer noch weit verbreitete "Arroganz und Unterschätzung" dieses "bemerkenswerten Phänomens". Wer auch heute noch den Stellenwert des Furzens für Kunst und Wissenschaft verkenne, dem sei "auf dieser Erde" nicht mehr zu helfen und den müsse man ohne Umschweife als "Kulturbanausen" benennen, der die "lange und ruhmreiche Geschichte des Furzens" verkenne. Knallbeutel hat sich in Köln und Umgebung auch bei breiteren Schichten der Bevölkerung durch seine Happenings "Furzen im Walde" einen Namen gemacht, die einmal im Monat unter reger Beteiligung stattfinden. Der Wissenschaftler, der mit dem Thema "Das Furzen. Ein soziologisches Phänomen im ausgehenden 20. Jahrhundert" promoviert hatte und sich auch mit dem Furzen von Hunden befasst, will mit seinen Happenings der Frage nachgehen, in welchem Verhältnis die Stille des Waldes und damit die Natur zum Furzen als gesellschaftlichem und menschlichem Ausdruck steht. In seinen Studien überschreitet Knallbeutel immer wieder die Grenzen verschiedener Bereiche und begreift sein Wirken daher als "betont interdisziplinär", wobei die Happenings als Verbindung von Gesellschafts-, Natur- und Literaturwissenschaft gelten sollen. Literarisch inspiriert wurde das Projekt von dem Buch "Das Schweigen im Walde", das hier gleichsam eine akustische Relativierung erfährt. Dagegen sprach Professor Hans Wurst vom Kulturhistorischen Institut der Universität Pforzheim von einer "weithin trivialen bis vulgären Erscheinungsform", die den Aufwand nicht lohne und weder als Kunstform noch als Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung die notwendige Relevanz mitbringe. Das Furzen gehöre seit Adam und Eva zur Natur eines jeden Menschen, man müsse aber deshalb nicht "so ein Theater" darum machen.
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Der legendäre US-Wissenschaft-
ler Fartgood: Ähnlichkeiten mit
Karl Marx wären rein zufällig
(Foto: PD) |
Jenseits dieser negativistischen Einschätzung existiert mittlerweile eine schier unübersehbare Anzahl von in aller Regel gutmeinenden Veröffentlichungen zu diesem Thema, die neben Fachliteratur auch Romane und Gedichtbände einschließen. Als Standardwerk dürfen die Ausführungen von John Fartgood gelten, der in einer bahnbrechenden Untersuchung an der John Hopkins Universität, die nicht umsonst im als "Windy City" bekannten Chicago beheimatet ist, in seinem 800 Seiten starken Buch über den "Furz als kunsthistorische Ausdrucksform zivilisatorischer Umgangsformen" den gesellschaftlichen Nährwert dieser Gattung nachweisen konnte. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang auch das antike Werk "Ich furze, also bin ich". Der Verfasser, unbekannt und seit Jahren in der Karibik verschollen, hatte seinerzeit nach einer längeren Odyssee durch die griechische Ägäis das Furzen für sich entdeckt und als allgemein menschliches Verhaltensmuster philosophisch eingeordnet. In breiteren Schichten der Bevölkerung heimisch wurde die Problematik, die von der Psychologie über die Zoologie bis zur modernen Sportwissenschaft nahezu alle akademischen Disziplinen berührt, jedoch erst als Bestseller der Unterhaltungsliteratur. Der deutschtürkische Jungautor Ahmed Öztürk war es, der mit seiner aus dem migrantischen Rap- und Hiphop-Milieu abgeleiteten Sprache eine insbesondere junge Leserschaft begeisterte und mit dem Buch "Ich furz dich kaputt, Alter" schon schnell über einen bloßen Achtungserfolg hinausgekommen war. Auch dies mag die zunehmende Bedeutung des Furzens dokumentieren. Wer von den kunst- und kulturaffinen Zeitgenossen auch nur ein bisschen etwas auf sich hält, wird in Zukunft also kaum am Furzen vorbeikommen.
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