Sonntag, 14. Juni 2015

Wie ein Blatter im Wind: Fifa-Boss kapituliert vor Hetzkampagne und tritt zurück!

Ein Denkmal stürzt ein/Erfinder des modernen Kommerz-Fußballs unterliegt Schmutzkampagne/Der Blatter Sepp tritt zurück/Kritiker sprechen von Korruption/Angeblich soll mit der Fifa etwas nicht in Ordnung sein/Fußball drohen immense Verwertungsverluste und Rückfälle in den Idealismus/Willkürliche Ermittlungen und Einmischungen der US-Justiz gehen weiter/Was wird aus Blatter?/Katarrh und Russland empört

Von Siegfried Richter

Fifa-Chef Blatter tritt zurück
(Foto: Richter/KA)
Zürich. Nach der Verhaftung mehrerer hochrangiger Fifa-Funktionäre in der vorletzten Woche in einem Hotel in Zürich, die aufgrund fadenscheiniger Ermittlungen und Anklageerhebungen durch FBI und US-Justiz sowie willfähriger Amtshilfe schweizerischer Behörden im Morgengrauen unter unwürdigsten Bedingungen vorgenommen wurde, steht der Ruf des Fußball-Weltverbandes auf dem Spiel. Während die verhafteten Funktionäre aus Ländern der Dritten Welt teilweise mit Handschellen abgeführt und per Zwang von zufällig in ihren Betten anwesenden Edelprostituierten getrennt wurden, geht die Fifa schweren Zeiten entgegen. Nach dem Rücktritt Blatters, der zuletzt von seinen Getreuen wie eine Gottheit verehrt wurde, steht ein ganzes System auf dem Prüfstand. Ein System, das dem Fußball weltweit viel Geld und Macht eingebracht hat, soll jetzt angeblich nicht mehr gut genug sein. Dem Fortschritt der Kommerzialisierungs- und Verwertungsmaschinerie Fußball droht ein Rückfall in schlimmste allenfalls semiprofessionelle Zeiten, in denen altmodischer Idealismus und längst überkommene "Werte" wie Anstand und Ehrlichkeit regierten. Unterdessen gehen die willkürlichen Ermittlungen und Einmischungsmanöver der USA gegen ehrenwerte Fifa-Funktionäre weiter. Die US-Justiz steht wieder einmal auf der Seite der Opfer und gegen die Täter und verrät damit mitteleuropäisch-linksliberale Umgangsformen. Und was geschieht mit Blatter? Begeht er nun Selbstmord oder wird er doch Antikorruptionsbeauftragter im Kreml? Katarrh und Russland wiederum protestieren gegen die Entwicklung und fürchten um ihre in allen Ehren zusammengekauften und durch Bestechung und Korruption für ihre liebevollen Länder im Dienste wahrer Humanität erworbenen Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Putin etwa sieht die WM-Vergabe für 2018 an Russland auch als "Belohnung seines tapferen Volkes bei der Unterstützung der Neuordnung der Ukraine" und wittert  "Rache des US-Imperialismus". 
  
Denkmal Blatter tritt ab/System der Ökonomisierung von Idealismus bedroht  
 
Verhaftete Fifa-Funktionäre auf einem
Fahndungsfoto des FBI
(Foto: Richter/KA)
Unerschütterlich stand er bis zuletzt im Feuer seiner erbarmungslosen Kritiker. Aufrecht wie ein eidgenössischer Fels in der Brandung. Jetzt hat ihn die Kraft verlassen. Ein durch die amerikanische Willkür- und Rachejustiz ausgelöstes Erdbeben hat ein Denkmal ins Wanken und nun zu Fall gebracht. Der Erfinder des modernen Kommerz-Fußballs, der Blatter Sepp aus der Schweiz, tritt zurück und jetzt den verdienten Weg in seinen Ruhestand an und überlässt seinen von Ehrgeiz und Reformeifer zerfressenen Nachfolgern gleichwohl ein bestelltes und geordnetes Feld. Entgegen der völlig aus der Luft gegriffenen verleumderischen Anschuldigungen und Korruptionsverdächtigungen hat Blatter größte Verdienste um die "schönste Nebensache der Welt" erworben. So hat er während seiner Amtszeit, die kurz nach Beendigung des 30jährigen Krieges begann, den Fußballsport in entlegenste Winkel der Erde getragen und einem eher altmodisch anmutenden Freizeitvergnügen der Massen ein vollkommen neues Selbstverständnis verliehen. Er war der erste Verbandschef, der den Nachweis erbrachte, dass die einst nur von naiven Idealisten und ihren allenfalls semiprofessionellen Feierabendfunktionären betriebene Sportart mit den segensreichen Verheißungen einer durchkommerzialisierten Verwertungsmaschinerie versöhnt werden kann. Blatter machte den Fußball zum Produkt. Er war es, der durch ein System phantasievoller und liebevoller Zuteilung von Geldern und Weltmeisterschaften nicht nur seine ständige Wiederwahl und damit verlässliche Strukturen sicherte, sondern damit fernab übertriebener und selbstgerechter ethischer Standards in Europa oder Nordamerika die Entwicklungshilfe gegenüber Ländern und Verbänden der Dritten Welt auf eine neue Grundlage stellte. So bescherte er insbesondere Fußballfunktionären aus Afrika, Asien und Südamerika nicht nur die Austragung der WM, sondern auch den einen oder anderen Briefumschlag mit nettem Inhalt oder manch schöne Nacht mit Vertretern des weiblichen Geschlechts. Den ständigen Nörgeleien einer kritischen Öffentlichkeit, die den Freunden Blatters und seines Systems verständlicherweise stets suspekt waren, folgte nun der große Knall. Dem Fußball, zurückgeworfen auf antiquierte "Werte" wie Ehrlichkeit oder Begeisterung, droht ein Rückfall in schlimmste Zeiten und eine lange Phase der Orientierungslosigkeit. Die nun zu befürchtenden Veränderungen in der Struktur des Weltverbandes könnten neben der Aufgabe des Prinzips der bedingungslosen Gewinnmaximierung auch einen beträchtlichen Schaden für das sensible ökonomische Gleichgewicht ganzer Volkswirtschaften bedeuten, die vom Fußball abhängen. Das Erbe Blatters ist in Gefahr.                
 
Undankbarkeit ist der Welten Lohn. Diese schlichte Erkenntnis trifft gerade auch ehrenwerte Zeitgenossen, die sich durch ihr segensreiches Wirken  schon zu Lebzeiten den Rang eines "lebenden Denkmales" erworben haben und denen nahezu messianische Kräfte attestiert werden. So wurde Sepp Blatter zuletzt nicht ohne Berechtigung von einem Verbandsfunktionär aus der Dritten Welt als eine gelungene Mischung aus Jesus Christus, Mutter Teresa und Gandhi bezeichnet. Und Verbandsfunktionäre aus Entwicklungsländern müssen es schließlich wissen. Blatter selbst muss sich vorkommen wie ein Blatter im Wind, das erbarmungslos von den Gezeiten hin- und hergetrieben wird. Und das mitten im Juni, obwohl der Herbst seines Lebens längst begonnen hat. Blatter (79), der seit 79 Jahren als Fifa-Präsident die Geschicke des beliebtesten Sport- und Freizeitverbandes seit der Geburt von Jesus Christus lenkte und sich überragende Verdienste um den Fußball auch über die Grenzen des Erlaubten hinaus erworben hat, ist Opfer einer einmaligen Schmutz- und Hetzkampagne geworden. Was in den letzten Tagen an unhaltbaren Verdächtigungen, Halbwahrheiten und Lügen durch seine Gegner in Sport, Medien und Politik über diesen ehrenwerten Ehrenmann ausgeschüttet wurde und gleichsam wie ein Gewitter über ihn hereinbrach, ist nicht weniger als ein Zeichen unserer Zeit. Wer sich aufopfert und seine ganze Kraft einer gerechten Sache verschreibt, wird von einer aufklärungswütigen Öffentlichkeit gehetzt und verleumdet, bis er liegenbleibt. Diesen Gesetzmäßigkeiten einer zunehmend bösartigen Menschheit konnte auch er sich nicht mehr entziehen. Scheinbar fehlte ihm am Ende die Kraft dafür, nachdem in der vorletzten Woche hochrangige Fifa-Funktionäre nach Aussagen eines anwesenden Zimmermädchens, das von den Herren immer hohe Trinkgelder kassiert und sich für manche Extraleistung zur Verfügung gestellt hatte, wie "Schlachtvieh" aus einem Züricher Hotel abgeführt wurde.

US-Justiz läuft wieder einmal Amok und betreibt Opferschutz vor Täterschutz/Zivilisiertes Europa muss hilflos zusehen

Im Namen der Gerechtigkeit:
Ehemaliger US-Chefankläger
Carl von den Marx Brothers
(Foto: PD)
Es ist schon ein Hohn, wie sich US-Behörden wieder einmal in Belange einmischen, die sie nichts angehen. Wie schon die liebevollen Diktaturen von Adolf Hittelberger oder von Salami Hussein, die zugegeben nicht ganz frauenfreundlichen Aktivitäten der Taliban und das bisschen Terror der Islamisten unter Ossama Ben Hoden oder der niedliche kleine Völkermord von Milosevic auf dem Balkan die Amerikaner eigentlich nichts anging. Aber sie müssen sich halt immer wieder einmischen, diese Humanisten. Und hier nur, weil ein paar Transaktionen der Fifa über amerikanische Konten gelaufen und einige US-Staatsbürger auch auf amerikanischem Boden an entsprechenden Aktivitäten beteiligt gewesen sein sollen.. Die Bundespolizei FBI (Federal Bureau of Investigation) ermittelte bereits  seit den 90er Jahren gegen eine friedliche und ehrenwerte Weltorganisation wie die Fifa und ihre führenden Mitglieder. Gegen einen Teil jener ehrenwerten Gesellschaft wurde jetzt von der neuen US-Justizministerin, die seit Jahren durch ihre unerbittliche und grausame Verfolgung von Korruption unangenehm aufgefallen war, Anklage erhoben. Eine ausführliche Anklageschrift führt detailliert die Beweise und Anschuldigungen auf. Na und? Ist doch wieder einmal typisch USA. Anstatt den Europäern und anderen Ländern mit ihrer eher täterfreundlichen Justiz, die auch in diesem Fall seit Jahrzehnten durch souveräne Abwesenheit und Passivität glänzen, das Feld zu überlassen, stehen die USA auf Seiten der Opfer. Justizministerin Lynch versteigt sich doch tatsächlich zu der Aussage, die Fifa habe mit "ihrer Korruption und mit ihrem undurchsichtigen System aus Geld und Macht" den Interessen des Fußballs und seiner Anhänger weltweit geschadet. Wie kommt eine Frau auf so eine aberwitzige Theorie? Zurecht wird das Justizsystem der USA insbesondere von aufgeklärten linken Liberalen in Europa angeprangert, da im Gegensatz etwa zu Deutschland es jenseits des Atlantiks üblich ist, Opferschutz vor Täterschutz zu betreiben. Mit zum Teil unmenschlichen Strafen bis hin zur Todesstrafe werden Mörder, Totschläger oder Kinderschänder belegt. Und das nennt sich dann noch Rechtsstaat. Wie wohltuend dagegen unsere deutsche Justiz, wo übelste Straftaten bzw. ihre Täter mit der Milde unseres täterfreundlichen und damit vorbildlichen Rechtsstaates rechnen dürfen. Dass dabei die Belange der Opfer zu kurz kommen, soll uns hier nicht näher interessieren. Schließlich ist ein demokratischer und freiheitlicher Rechtsstaat für die Täter da, die allesamt zunächst einmal Opfer der Verhältnisse sind. Und diesen wahren Opfern muss geholfen werden. Opfern, die durch die himmelschreienden sozialen Missstände eines modernen Sozial- und Wohlfahrtsstaates mit Massenwohlstand zutiefst gekränkt wurden und mithin schon aus materialistischen Gründen auf die schiefe Bahn geraten mussten. Schon der große Karl Marx hat seinerzeit erkannt, dass der Mensch nur ein Produkt seiner Umwelt, ein Opfer seiner Umstände ist. Und diese Umstände sind eben kapitalistisch. Auch ein Sepp Blatter ist somit letzten Endes ein Opfer des Kapitalismus. Somit muss der segensreichen Kommerzialisierung des Fußballs eben diese "ideologische Schattenseite" zugestanden werden. So ambivalent diese Haltung auch sein mag. Dass jene Argumentation an dieser Stelle, die Segnungen der Kommerzialisierung bzw. des Kapitalismus für den Fußball zu preisen und gleichzeitig den westlichen bzw. amerikanischen Kapitalismus zu brandmarken und in einen materialistischen und rechtsstaatlichen Kontext zu stellen, mag zunächst widersprüchlich und inkonsistent anmuten. Aber seit wann geht es denn bei der Kritik an den USA um eine konsistente Haltung? Hauptsache ist doch, dass man auf die Amis ordentlich einhauen kann.

Wie sonst auch in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik gefallen sich die Vereinigten Staaten also darin, die Position der Opfer zu vertreten. Wer dies so rigoros und mitleidslos gegen die Täter betreibt, der befreit eben auch Völker von Diktaturen und Gewaltregimen. Der beendet Völkermorde und bekämpft den Terrorismus. Der schrieb und schreibt sich Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auf seine Fahnen. Die USA bleiben unverbesserlich und idealistisch. Wir nennen das natürlich Kriegspolitik aus ökonomisch-imperialistischen Motiven heraus. Wir wollen ja unserer ideologisch-antiamerikanischen Linie treu bleiben. Außerdem gilt: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Kapitalismus hin oder her. Denen ist nun wirklich nicht mehr zu helfen. Und wir zivilisierte Europäer müssen wieder einmal hilflos zusehen, wie unsere intellektuelle, moralische und kulturelle Überlegenheit den Bach herunterzugehen droht. Was zählt bei diesem US-Furor der Gerechtigkeit noch unser Begriff von Rechtsstaatlichkeit? Traurig dabei ist, dass auch manche, die sonst den US-Kapitalismus so schön anprangern, jetzt dieses Treiben auch noch dulden und begrüßen. Also was denn nun, meine Herren? Ist der böse US-Kapitalismus jetzt plötzlich ein Verbündeter gegen die Geldgier und Korruption der Mächtigen? Und wenn die USA als Speerspitze des Kapitalismus das Böse verkörpern, wir erklären wir uns den Umstand, dass es eben wieder die Amerikaner sind, die wie hier im Falle der Fifa eingreifen?

Was geschieht mit Blatter?

Und der Blatter Sepp? Durch seinen erzwungenen Rücktritt wird der Mann mit 79 Jahren nicht nur arbeitslos und weiß in Zukunft nicht mehr, was er den lieben langen Tag anfangen soll. Es steht auch zu befürchten, dass er selbst ins Visier der US-Behörden gerät und am Ende vielleicht sogar in einer Ausnüchterungszelle in Sing-Sing landet. Oder gar auf dem elektrischen Stuhl in Huntsville/Texas? Die Methoden der Amerikaner kennt man doch. Blatter gilt als partiell selbstmordgefährdet. Man muss sich ernsthaft Sorgen machen. Schon mancher Heilige ist gefallen. Nicht nur in biblischen Zeiten. Vielleicht aber helfen Russland und Putin und stellen Blatter als Antikorruptionsbeauftragten im Kreml an. Da gäbe es reichlich zu tun, beschreibt ein Insider mit einem schelmenhaften Lächeln auf den Lippen die Ausgangslage.

Katarrh und Russland empört

Putin (links) und der Emir von Katarrh
während einer gemeinsamen Presse-
konferenz (Foto: Richter/KA)
Neben Russlands Präsident Wladimir Putin, der als einzige Stimme des Anstandes auf der Seite Blatters steht, protestierte auch der Katarrh gegen die rüden Umgangsformen der US-Justiz und die kritische Berichterstattung in den westlichen Medien insgesamt. Es könne nicht sein, so Putin, dass etwa die Vergabe der nächsten Fußball-WM durch die Fifa an Russland selbst kritisch beäugt werde. Schließlich sei in Russland das Wort Korruption völlig fremd und auch sonst alles in Ordnung. Ähnlich äußerte sich der Katarrh für die Verhältnisse in seinem Land. Rechtsstaatlichkeit und Transparenz seien völlig überflüssige Werte, an denen der Westen hinge wie eine "Klette am Porzellan". Während der Katarrh die WM-Spiele für 2022 gerade auch wegen seiner arbeitnehmerfreundlichen Gesetzgebung erhielt, bekam Russland den Zuschlag für sein "entschiedenes Eintreten für Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht". "Das ist auch eine Belohnung für mein braves Volk, das sich bei der Neuordnung der Ukraine so tapfer hält und politisch wie militärisch mittut", hieß es aus dem Kreml von seinem Herrn. Putin verbat sich ausdrücklich die "Einmischung des US-Imperialismus" in die inneren Angelegenheiten von autoritär geführten Sportverbänden und ihren Diktator-Freunden. Zukünftig sollten Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften ohnehin nur noch in Diktaturen ausgetragen werden. So könne das "lange und zermürbende Prozedere", das durch die Berücksichtigung von Bürgerinteressen in westlichen Zivilgesellschaften entstehe, von vorne herein abgewendet werden und mit "straffen und kurzen Entscheidungswegen" die Dinge "zügig und störfrei" zum Wohle von Oligarchen und ihren Potentaten vorangetrieben werden. Es wäre demnach gar nicht auszudenken gewesen, wenn ausgerechnet die USA den Zuschlag für eine der nächsten Weltmeisterschaften bekommen hätten. "Das ist doch nur eine primitive Rache der Amerikaner dafür, dass die die WM im Gegensatz zu uns nicht bekommen haben", fügte Putin hinzu. In Russland müsste man im Gegensatz zu westlichen Ländern während internationaler Großveranstaltungen nicht davon ausgehen, dass es zu "dekadenten homoerotischen und sonstigen Praktiken" komme. "Da ist unsere Gesetzeslage eindeutig", vermeldete der Kremlchef nicht ohne Stolz. Wieder einmal werden also auch hier die Fronten klar: Putin als vernünftiger und aufgeklärter Absolutist gegen die Weicheier aus dem Westen. Und wer ist am Ende wieder schuld? Na klar, die bösen Amis. Wer denn auch sonst?! So fügt sich alles zusammen.           

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