Bericht von Lawrence von Arabien
Ankara/Kairo. Dem Weltverband Fifa und der Welt des Fußballs insgesamt drohen wenige Tage vor Beginn der Weltmeisterschaft in Brasilien ein handfester Skandal und viel Ärger. Der türkische Premierminister Erdogan will zusammen mit türkischen Sportfunktionären eine Teilnahme seines Landes an dem globalen Großereignis erzwingen. "Das ist offener Rassismus und eine Beleidigung des Islam, dass wir nicht dabei sein dürfen", führte der starke Mann am Bosporus aus. Der selbsternannte "Humanist" hat somit neben seinen sonstigen Aufgaben und Herausforderungen, den progressiven Teil der türkischen Gesellschaft mit autoritären Mitteln in Schach zu halten und Demonstranten für Demokratie und Bürgerrechte niederknüppeln zu lassen, augenscheinlich auch noch Zeit für andere Dinge.
Die türkische Regierung, der sich die Mehrheit der Bevölkerung in ihrer politischen Klugheit und Reife wieder einmal angeschlossen hat, wird vermutlich noch vor Beginn der weltweit enorme Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Veranstaltung auch diplomatische und juristische Schritte unternehmen, um der Nationalmannschaft der Türkei doch noch eine Teilnahme zu ermöglichen. "Sollten Verhandlungen mit der Fifa scheitern, werden wir den Weltsicherheitsrat der UNO einschalten und eventuell auch vor dem Internationalen Menschengerichtshof in Den Haag Klage einreichen", beschrieb Erdogan auf einer Pressekonferenz die Marschroute. Beobachter befürchten, dass im Fall eines türkischen Erfolges der gesamte Spielplan der Weltmeisterschaft umgestellt werden müsste und weitere Schwierigkeiten in Sachen Organisation ins Haus stehen.
Es sei ein "feindlicher Akt" gegen die türkische Kultur und die islamische Religion und komme einer "Verschwörung" gleich, die Türkei an einer WM-Teilnahme zu hindern. "Bei dem Turnier nehmen fast nur Mannschaften aus christlichen Ländern teil", pflichtete Staatspräsident Gül seinem Regierungschef bei. Die Geduld der Türken mit der christlich-jüdisch-westlichen Welt ist ohnehin mittlerweile aufgebraucht. Zu sehr leiden weite Teile der Bevölkerung und der Verantwortlichen unter den Demütigungen und Beleidigungen, die das Eintreten für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte bedeuten. Religiöse Toleranz sei, so Erdogan, nur dann zielführend, wenn es in westlichen Ländern muslimische Minderheiten gebe. In der Türkei habe das Übergreifen westlicher Gedanken schon immensen Schaden angerichtet, wie die Proteste "fehlgeleiteter Irrer und Terroristen" auf den Straßen seit nahezu einem Jahr zeigten. In diese Stimmung falle nun auch noch die Diskriminierung unserer "ruhmreichen Mannschaft", die als einer der Favoriten ins Turnier hätte gehen sollen.
Verweise von Sportjournalisten und Verbandsfunktionären aus aller Welt, wonach sich die Türkei aufgrund des Verpassens der Qualifikation keinen Platz im Feld der WM-Teilnehmer erworben habe, wurden von türkischer Seite nicht gelten gelassen "Alles Propaganda", tobte Erdogan, der zuletzt seinen Landsleuten und potentiellen Wählern in Deutschland durch eine begeisternde Rede die Aufwartung gemacht und vor den "Gefahren der westlichen Zivilisation für das Türkentum" gewarnt hatte. "Nationalismus und Religion gehen seit Erdogans Machtantritt in der Türkei eine fruchtbare Symbiose ein und sollten daher respektiert werden", wehrt sich ein Vertreter von Erdogans AKP gegen Kritik von innen wie von außen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Ansonsten ist dem erst einmal nichts hinzuzufügen.
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