Montag, 21. Juli 2014

Fußball-Nationalismus eskaliert/Skandalvideo aufgetaucht

Bericht von Chefredakteur Siegfried Richter

Berlin. Der Skandal um das Fehlverhalten der deutschen Nationalmannschaft und beträchtlicher Teile ihrer Anhänger am letzten Dienstag nach dem Finalsieg gegen Argentinien hat deutlich schwerwiegendere Ausmaße angenommen, als es den ersten Eindrücken entsprach. Zwar war das Benehmen von Mannschaft und Fans schon kurz nach dem triumphalen Empfang in Berlin verschiedentlich beanstandet worden (wir berichteten), jedoch kommt erst Tage danach das volle Ausmaß der Geschehnisse ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Genauere Untersuchungen haben ergeben, dass die festgestellte Dimension von Nationalismus und Rassismus jedes Maß überstieg. Unserer Zeitung wurde jetzt anonym ein Video zugespielt, das die Ereignisse auf der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor erstmals dokumentiert und wahrhaft Skandalöses zu Tage fördert. "Die Nummer eins der Welt sind wir", skandierte die Menge unverhohlen beim Betreten der Bühne durch die Spieler des neuen Weltmeisters. Historisch sensible Beobachter fragen jetzt zurecht: Ist es schon wieder soweit?

Skandalvideo von der Berliner Fanmeile:

 

 
Sogar unschuldige Hunde wurden für
das nationale Treiben eingespannt
(Foto: Richter/KA)
Das nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien auf die nationalistische Ebene abgesunkene und von manchen Beobachtern als "unerträgliche Demonstration deutscher Freude und gefährlich positiver Einstellung zum eigenen Land" bewertete Feierverhalten von Nationalmannschaft und Fans war offensichtlich noch schlimmer als zunächst schon befürchtet. Auf der Fanmeile am Brandenburger Tor soll beim Empfang des neuen Weltmeisters nach Untersuchungen linksradikaler und autonomer Kreise beinahe jeder zweite Besucher ein Trikot des DFB bzw. andere Utensilien in Schwarz-Rot-Gold am Körper getragen oder anderweitig mit sich geführt haben. Bis tief in die Nacht sei es laut Prüfstelle für unbotmäßige nationale Aufgeregtheiten in Berlin-Kreuzberg zu "fortgesetzter und schier nicht enden wollender Begeisterung" rund um den WM-Erfolg der Schützlinge von Bundestrainer Jogi Löw gekommen, die kurz nach Mitternacht in "nahezu euphorische Stimmung und ekstaseähnliche Zustände" gemündet hätte. Diese Atmosphäre sei durch das ständige Abspielen von "Fußballliedern mit eindeutig nationalem Bezug" noch gesteigert worden und hätte sich verdichtet. Eine Menschenanzahl von mehreren Hunderttausend, zeitweise sogar bis zu einer halben Million, habe an dem "Treiben" teilgenommen.  
 

Deutsche Fahne und Geflügeltier:
Ungute Kombination (Foto: Richter/KA)
Schon gegen Mittag hatten Teile der Mannschaft mit dem sogenannten "Gaucho-Tanz" den unbescholtenen argentinischen Endspielgegner "aufs Übelste beleidigt und die gesamte Nation des südamerikanischen Landes gedemütigt und in bisher nicht dagewesener Art und Weise herabgesetzt und entehrt" (Zitat von Professor Hans-Christian Ströbele vom Institut für linkspolitische Korrektheit). Dieses Verhalten erfülle den Tatbestand des "offenen Rassismus" und sei ein "so nicht für möglich gehaltener Rückfall in düsterste Zeiten deutscher Geschichte". .Im Zuge der Entwicklung sei "eine Art Feierlaune und Siegesfreude" entstanden, die dem deutschen Volke so nicht zustehe. Auf die Bemerkung eines offensichtlich historisch ungebildeten Zeitgenossen, wonach die schwarz-rot-goldenen Farben schon von Studenten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts getragen und als Symbol für Freiheit, Demokratie und nationale Einigung zu verstanden gewesen seien, entgegnete ein Mitarbeiter Ströbeles couragiert: "Halt's Maul, Nazi." Ebenso wurden Verweise auf das Jahr 1848 und die Einberufung des Parlamentes in der Frankfurter Paulskirche zur Verabschiedung einer entsprechenden Verfassung für das deutsche Volk abgetan. Als DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in einer Fernsehsendung den "Gaucho-Tanz" von Teilen der Mannschaft als "harmlosen Spaß" bezeichnete, der keinesfalls böse gemeint gewesen sei, zischte ihn ein neben ihm stehender Angehöriger des Schwarzen Blocks Kreuzberg-Süd an: "Ach, was weißt Du denn, Du Faschistensau." Dass dies auch in dieser entschiedenen Form einmal zum Ausdruck gebracht wurde, mag seine Wirkung mindestens bei einigermaßen gutwilligen Zeitgenossen nicht verfehlen.
 
"Dass die Sportverbände dieses unmögliche Verhalten nicht hinterfragen, ist bedenklich. Dass aber die Bundesregierung nichts unternimmt und augenscheinlich Spieler und Fans noch in Schutz nimmt und die Sache laufen lässt, ist ein Stück aus dem Tollhaus. Anstatt den netten russischen Präsidenten Wladimir Putin ständig wegen seiner liebevollen Neuordnung Osteuropas zu kritisieren, sollte sich die Kanzlerin endlich einmal mit den wirklichen Skandalen unserer Zeit befassen", zeigte sich Ströbele stellvertretend für viele Gleichgesinnte empört. "Diese Einstellung trifft den Nagel auf den Kopf und wird von mir in allen Punkten geteilt", fügte KA-Chefredakteur Siegfried Richter auf einer eigens für diesen Anlass anberaumten Pressekonferenz hinzu. "So geht es doch nun wirklich nicht."       

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