Von Chefredakteur Siegfried Richter
Polizei provoziert alleine schon durch ihre Anwesenheit (Foto: Richter/KA) |
Frankfurt/Main. Eine friedliche Orgie von gewalttätigen Angriffen auf die Polizei, der Zerstörung städtischer Infrastruktur und der Anzettelung bürgerkriegsähnlicher Zustände in der Bankenmetropole wurde von der Eröffnung des neuen Gebäudes der Europäischen Zentralbank überschattet. Schon am frühen Morgen hatten sich Tausende von Gewalttouristen aus ganz Europa am Gelände der ehemaligen Großmarkthalle im Frankfurter Ostend eingefunden, um mit entsprechenden Aktionen für eine friedliche und sozial gerechte Welt zu demonstrieren. Dass die Proteste dann eskalierten, ist der Anwesenheit zahlreicher Ordnungshüter geschuldet, die wieder einmal überreagierten und den liebenswerten Charakter der Demonstration gründlich missverstanden hatten. Später am Tage wurden die Ereignisse von einem Vertreter der Frankfurter Polizei im Rahmen einer vorläufigen Bilanz als "historisch einmalig und an Brutalität nicht zu überbieten" überzeichnet.
"Die Polizei hat uns durch ihr Großaufgebot provoziert", schilderten die Sprecher der Veranstalter des bunten Treibens die Ausgangslage. Die kapitalismuskritischen Organisationen des Bündnisses Blockupy (unter anderem Attac, deren Mitglieder in der Vergangenheit schon einmal ganze historische Innenstädte zerlegt haben und dadurch ihre friedferige Protestkultur bereits nachhaltig unter Beweis stellten) empörten sich insbesondere über die "völlig überzogene Härte der Bullenschweine als Hüter des neoliberalistischen Systems". Nur weil ein paar Autos angezündet worden und etliche kleinere Geschäfte in Flammen aufgegangen waren, sei ein "Riesentheater" gemacht worden. Von den etwa 100 verletzten Polizisten, massenhaft demolierten Polizeifahrzeugen und anderen Verwüstungen, die ohnehin nur als "Kollateralschäden" bezeichnet werden könnten, einmal ganz abgesehen. Auch Mordversuche an Beamten, etwa durch das Anzünden von Polizeiautos, in denen noch Menschen saßen, wurden als "mögliche Propaganda der Repräsentanten des Polizeistaates" schon vorab abgetan. Allzumal die "niedliche Gegengewalt" der Demonstranten nur von einem kleinen Teil getragen worden wäre, während die Mehrheit und die Veranstalter in Sachen Ideologie oder Planung dafür keinerlei Verantwortung hätten. Die Einweihung der EZB habe "unseren vergnüglichen Betriebsausflug" dann vollends eskalieren lassen, teilten die Organisatoren der Aktion mit. "Es wird unter den Politikern und Medienvertretern des Systems ein paar Spießer geben, die unser fantasievolles Happening verurteilen werden, aber das macht uns nichts aus", weist ein umtriebiger und erfahrener Berufsdemonstrant aus der linksradikal-autonomen Szene auf zu erwartende Kritik hin. Der nette arbeitslose Steinewerfer, der sich für das Event extra Urlaub genommen hatte und aus Berlin-Kreuzberg angereist war, wollte die Veranstaltung ohnehin dem "deutschen Volk und den europäischen Völkern" gewidmet wissen. Der deutsche Steuerzahler, der die Aufräumarbeiten wird bezahlen müssen, dürfte sich bedanken. Schließlich gehe es darum, das Bewusstsein für eine bessere Welt in der Bevölkerung zu schaffen. "Geld für Griechenland ohne Auflagen, der mitteleuropäische Steuerzahler hat's doch", forderte er und reihte sich wieder in den Protestzug aus schwarzgekleideten und vermummten Gestalten ein. Der Widerspruch dieser Argumentation, wonach ein System, das die benötigten Mittel erwirtschaftet, abzuschaffen sei, wurde bis Redaktionsschluss gleichwohl nicht aufgelöst.
Gegen Mittag zog die gut 6000 Mann starke Protestarmee weiter Richtung Innenstadt, wo auf dem Römerberg eine Veranstaltung mit der in diesen Kreisen äußerst beliebten notorischen Antiamerikanerin und Freundin des russischen Imperialismus, Frau Sarah Wagenknecht von der posttotalitären Linkspartei, geplant war. Auch hier rechneten die Demonstranten bis zum Abend mit "Störmanövern und Provokationen" der Polizei. Bis Redaktionsschluss war nicht in Erfahrung zu bringen, ob die historische Kulisse der Altstadt davon in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dass die Abschlussveranstaltung eine Führung etwa durch das weltberühmte Museum des Frankfurter Städels beinhaltet hätte, wurde nicht bekannt. "Wir fahren doch nicht hierher wegen der Stadt und der Kultur, wir wollen Rabatz für eine andere Welt", unterstrich ein Teilnehmer. Offen blieb auch die Frage, ob die engagierten Weltverbesserer ihrer gerechten Empörung gegen die Zumutungen des westlichen Rechtsstaates und der demokratisch-freiheitlichen Grundordnung eine entsprechende Kritik etwa an den bestialischen Taten der islamistischen Terroristen zur Seite stellen. "Och, hören sie uns mal auf damit", verriet einer der Teilnehmer ein eher geringes Empörungspotential gegenüber Völkermord, verschleppten und vergewaltigten Frauen und Mädchen oder geköpften Geiseln. "Deswegen gehen wir doch nicht auf die Straße, das ist doch nicht das Problem der Welt", fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu und mag damit seinen Mitstreitern aus der Seele gesprochen haben.
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