Samstag, 3. Mai 2014

Männern droht sexueller Notstand: Frankfurter Milieu steht vor Arbeitskampf

Bericht von Heinz Schenk


Entlassen wegen üppiger
Oberweite: Dirne in Frank-
furt (Foto: PD)
 
Frankfurt. Im Bahnhofsviertel der Mainmetropole liegen die Nerven blank. Es grassiert die nackte Angst. Nachdem vor zwei Wochen der Besitzer eines Nachtclubs im Vergnügungsbezirk einem Freudenmädchen wegen zu üppiger Oberweite gekündigt hatte, machen die Gewerkschaften mobil und drohen den Arbeitgebern des gesamten Rotlichtmilieus einen Arbeitsausstand an. Eine Streikwelle droht die für gewöhnlich gut frequentierten Laufhäuser, Bordelle und Bars lahm zu legen. Während die alteingesessenen Zuhälter, Rausschmeißer und Taxifahrer um ihre Einnahmen bangen, fürchten Vertreter der Stadt und des Landes massive Gefährdungen von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen. Hingegen fordern die Interessengemeinschaft der Prostituierten und die schlagkräftige Gewerkschaft für Verkehr und Transport kompromisslos die Wiedereinstellung der freigestellten Dirne. Stammkunden und Messebesucher bleiben ebenso hart und pochen auf das 1967 eingeführte Recht auf Befriedigung.
Modelmaße gefragt (Foto:
Cascari/Juliana da Costa Jose,
Lizenz: Creative Commons BY-SA
 3.0 Unported )
In dieser emotional aufgeladenen, festgefahrenen und arbeitsrechtlich unsicheren Lage ist guter Rat teuer. Gemeinhin finden Arbeitskämpfe wegen Forderungen nach höheren Löhnen oder besseren Arbeitsbedingungen statt. Ein Novum in der Geschichte der Prostitution scheint daher eine Kündigung wegen eines zu großen Brustumfanges zu sein. Der stadtbekannte Lude Ronald F., der nach eigener Aussage durch einen mehrjährigen Gefängnisaufenthalt im mittelhessischen Butzbach geschäftlich etwas ins Hintertreffen geraten war, betreibt seit geraumer Zeit ein gut gehendes Lokal in der Moselstraße. "Bei uns sind Messebesucher und Touristen aus aller Welt zu Gast, die Mädchen mit Modelmaßen bevorzugen", hält der 56jährige ehemalige Preisboxer Übergrößen beim Personal nicht mehr für zeitgemäß. "Die vertreibt mir doch mit ihren Atombusen die ganze Kundschaft", sieht  der liebenswerte Tattooträger mit Glatze, der in seinem Betrieb auf eine kollegiale Arbeitsatmosphäre viel Wert legt, in den konventionellen körperlichen Vorzügen der Polin Uta N. eher eine Beeinträchtigung seines Konzeptes. "Vor Jahren ist ein Gast bei uns einmal von einer XXL-Oberweite einer Bulgarin fast erschlagen worden", erwähnt er die nicht zu unterschätzenden Gefahren in seinem Metier.
 
Die 24jährige Warschauerin, die nach drei abgebrochenen Studiengängen eher zufällig in dieses Gewerbe geraten ist, ging nach der fristlosen Kündigung sofort zur Gewerkschaft. Obwohl sie weder Mitglied ist noch einen gültigen Arbeitsvertrag besitzt, kann sie auf die Hilfe der IG Verkehr bauen. Ihr Fall ging wie ein Lauffeuer im Viertel herum. Andere Sexarbeiterinnen und ihre Gewerkschaften solidarisierten sich mit ihr. Für den nächsten Samstag ist eine große Demonstration auf dem Römerberg unter dem Motto "Sichere Blowjobs-Gegen die Diskriminierung von Vollbusigen auf dem Arbeitsmarkt"  geplant, bei der auch Arbeits- und Sozialministerin Andreas Nahles (SPD) sprechen will. Bis zu 50 000 Prostituierte allein aus Hessen werden erwartet. Den Verkehr regelt in der Zwischenzeit die Polizei. Sollten die Arbeitgeber mit eine kalten Aussperrung  reagieren, müssen viele Damen des Gewerbes unter Umständen sogar wieder den harten Weg des Straßenstrichs gehen.
 
Hartmut K., Stammkunde im Puff
(Foto: Jackhynes, Lizenz: Creative Commons
 by-sa-3.0.de) 
Unter lamgjährigen Stammkunden stößt die Aktion auf keinerlei Verständnis. "So ein Streik trifft doch am Ende immer nur den kleinen Mann", kritisiert der 1.47 m große Hartmut K. Gerade jetzt, wo seine Frau zu ihrer Schwester nach Fulda verreise, sei der Arbeitskampf auch terminlich eher ungünstig. "Es kommt noch soweit, dass ich nach über fünf Jahren wieder mit meiner Ehefrau schlafen muss", zeigt sich auch der 88jährige Frührentner Oswald G. unzufrieden. Auch Mitarbeiter der zahlreichen Banken im Viertel müssen vermutlich die Gestaltung ihrer Mittagspause ändern. Die zahlreichen Messebesucher und Touristen dürften die Androhung der Gewerkschaften, in der nächsten Woche das gesamte Bahnhofsviertel dicht zu machen und gegen Streikbrecherinnen konsequent vorzugehen, auch nicht gerade mit Begeisterung aufnehmen. "Wo soll ich den abends hin", fragt etwa ein Schweizer Geschäftsmann bang und fühlt sich schon jetzt einsam. Seit 1967 existiert in der Kaiserstraße und den umliegenden Seitenstraßen zwischen Hauptbahnhof und Oper ein sogenanntes "Recht auf Befriedigung", das seinerzeit von den Stadtvätern erlassen wurde. Unter den damaligen Verantwortlichen waren nicht wenige, die nach getaner Arbeit fernab von Familie und nerviger Ehefrau auch einmal den einen oder anderen "wegsteckten", wie es bei gut informierten Greisen hieß. Inwieweit diese Klausel einen möglichen Arbeitskampf beeinflussen könnte, ist zur Stunde nicht abzusehen.
 
Vor dem Römer wollen allein 50 000
Prostituierte aus Hessen demonstrieren
(Foto: Richter/KA)
Die Stadt versucht ebenso wie das Land Hessen den Ausstand noch abzuwenden. Während Oberbürgermeister Marty Feldmann (SPD) um den guten Ruf seiner als weltoffen geltenden Kommune fürchtet, schaltet sich Ministerpräsident Volker Buffet (CDU) eher aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik ein:"Ich sehe durch einen möglichen Streik und die Einnahmeausfälle in den Betrieben Massenentlassungen im Gewerbe vor mir". Der Landesvater erläutert in diesem Zusammenhang das arbeitsmarktpolitische Konzept der Landesregierung im Sinne des Vorhabens, "gerade auch die jungen Frauen von der Straße und in Lohn und Brot zu kriegen". Der grüne Koalitionspartner im Wiesbadener Kabinett hingegen verweist in Gestalt von Wirtschaftsminister Al-Wazir darauf, dass das Schicksal der jungen, vollbusigen Frau aus Osteuropa gleichwohl zu beachten sei. Fachanwälte für Arbeitsrecht gehen davon aus, dass die Streiks im ältesten Gewerbe der Welt ohnehin juristisch problematisch seien, da die meisten Arbeitnehmerinnen keine Arbeitsverträge und oftmals auch keine gültige Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis besäßen. Es könne jedoch sehr wohl, sollte die Kündigung der Prostituierten vor einem Arbeitsgericht landen, zu einem Präzedenzfall kommen. In jedem Fall werden die nächsten Tage zeigen, ob es in der schönen Stadt am Main zu einem sexuellen Notstand kommt. Ein möglicher Mehraufwand bei den Ehefrauen zahlloser Männer, die sonst ihre Freizeit zwischen Münchner Straße und Elbestraße verbringen, war jedenfalls bei Redaktionsschluss nicht auszuschließen.                 
 
 
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen