Montag, 5. Mai 2014

US-Präsident geht auf Deutsche zu: Barack Obama entschuldigt sich für Befreiung vom Faschismus und Verhinderung von Attentaten

Bericht von Mark Twain

Obama bei seiner Rede
(Foto: White House/PD)
Washington. Der amerikanische Präsident Barack Obama hat sich in einer so historischen wie überfälligen Rede beim deutschen Volk für die "geheimdienstlichen Exzesse" bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus nach den Anschlägen des 11. September 2001 entschuldigt. Besonders lag ihm das Schicksal jener Bundesbürger am Herzen, die durch Recherche und Zusammenarbeit mit den deutschen Diensten bei geplanten Anschlägen auf deutschem Boden überlebt hatten bzw. nicht zu Schaden gekommen waren: "Es tut mir unendlich leid, dass wir unschuldigen Menschen so übel mitgespielt haben", zeigte sich der mächtigste Mann der Welt tief betroffen. Überhaupt sei der Kampf gegen den Terror "völlig aus dem Ruder gelaufen". Zahllosen Hassern der westlichen Zivilisation und Werte, Antiamerikanern und Antizionisten, Bombenbauern und Selbstmordattentätern, Frauenfeinden und homophoben Muslimen hätten die Methoden seiner Streitkräfte und Sicherheitsorgane unendlichen Kummer bereitet und das zivilisierte Zusammenleben der Menschheit gefährdet. "Ich kann mich vor den Opfern der Vereinigten Staaten nur in Ehrfurcht verneigen", gelobte Obama Besserung und stellte ein prinzipielles Umdenken in der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik in Aussicht. Die Gefährdung für die Bürgerrechte in der Welt ginge, das könne heute niemand mehr ernsthaft bestreiten, von den Vereinigten Staaten aus. Der islamistische Terror sei, wie die Debatte in Deutschland gerade auch angesichts der NSA-Affäre und Edward Snowdens Aussagen zeige, dagegen eher zu vernachlässigen. Damit gab er den linken Leitmedien und den notorisch amerikakritischen selbsternannten Intellektuellen und Moralisten in Deutschland weitestgehend recht. Gleichzeitig bat er die europäischen Kritiker insgesamt um Geduld, da die moralischen und intellektuellen Kapazitäten in den USA im Vergleich zum alten Kontinent unterentwickelt seien und seine Landsleute in der Geschichte schon immer etwas länger gebraucht hätten, um die wahren Ausmaße von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten zu begreifen. "Ich danke herzlich für den Nachhilfeunterricht und die liebevolle Sorge um unsere Glaubwürdigkeit", verkündete der Präsident reumütig. Obama ließ in der Rede eine nicht für möglich gehaltene "Bombe" platzen, als er auf die unzähligen Sünden der USA in der neueren Geschichte gerade gegenüber den Deutschen einging und damit die Diskussion auf eine noch wesentlich grundsätzlichere Ebene brachte. So bat er unter anderem für die Befreiung vom Faschismus im Zuge des Zweiten Weltkrieges um Vergebung. Beobachter im politischen Washington wollten und konnten es nicht ausschließen, dass die sarkastischen Kommentare in einigen deutschen Medien zum Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel letzte Woche in den USA das Umdenken bei Obama mindestens beeinflusst haben. So schrieb die Satirezeitung Postillon von einer "Entschuldigung Merkels für die massenhafte Überwachung deutscher Bürger". Dies mag die Reaktion des Weißen Hauses mindestens angeregt, wenn nicht sogar entscheidend provoziert haben. 

 
US-Kongress
(Foto: SusanSterner, Executive Office
of the President of the United States/PD)
Wirkliche Sensationen in der heutigen Politik sind eher selten, aber gestern hat die amerikanische Hauptstadt eine erlebt. Der in den letzten Jahren schwer ins Schlingern geratene Tanker USA ist scheinbar doch noch zu großen Manövern fähig. Auf vielfachen Wunsch und flehentliches Bitten aus dem alten Europa hin hat sich Präsident Obama in einer Rede an die deutsche Nation gewandt und vor beiden Kammern des US-Kongresses eine Reihe von längst überfälligen Entschuldigungen ausgesprochen. So bat der zu Beginn seiner Amtszeit als Hoffnungsträger gefeierte um Verzeihung für die Befreiung Deutschlands vom Faschismus im Zweiten Weltkrieg, für die Hilfe beim Wiederaufbau und der Demokratisierung im Nachkriegsdeutschland sowie für die Solidarität gegen die kommunistische Sowjetunion im Kalten Krieg.  Nach den verständlicherweise etwas irrationalen und hysterischen Debatten in Deutschland um den welterschütternden NSA-Abhörskandal, der nur mit dem Urknall und der Erfindung des schnurlosen Telefons verglichen werden kann, konnte der Demokrat und erste schwarze Präsident des Landes dem Druck nicht mehr standhalten und ging dezidiert auf die Tätigkeit seiner Dienste ein.  Zu groß waren die Demütigungen und Enttäuschungen des verbündeten Volkes, das angesichts seiner in Jahrhunderten gewachsenen Führungsrolle in Sachen Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten langsam ungeduldig geworden war. Obama sprach in seiner siebenstündigen Grundsatzrede sämtliche Sünden seines Landes im 20. und 21. Jahrhundert an und erweiterte damit die Diskussion um die Geheimdienste und ihr flächendeckendes Überwachungssystem erheblich.

"Die Welt ist ohne Osama Ben Laden und Saddam Hussein ärmer dran",  ging der Oberbefehlshaber der letzten verbliebenen Weltmacht auch auf die umstrittenen militärischen Interventionen in Afghanistan und im Irak ein. Seinem direkten Vorgänger im Amt habe das Verständnis für die Befindlichkeiten von Terroristen und Diktatoren in der muslimischen Welt gefehlt und damit auch eine gewisse Ignoranz der Amerikaner für andere Kulturen bestätigt. In Sachen Einwanderungskultur, Offenheit und Multikulturalismus sei Europa seinem Land schon immer überlegen gewesen. Dass die europäischen Kritiker, nicht zuletzt von Seiten des linken Lagers und der Friedensbewegung, traditionell eher zurückhaltend seien, wenn es um ein engagiertes Auftreten gegen antiwestliche Regime und ihre Unfreiheit, gegen Völkermord und Islamofaschismus geht, wollte Obama nicht überbewerten. Das könne schon einmal vorkommen, wenn man ein moralisches Monopol besitze. Die universellen Menschenrechte seien zu kostbar, um sie im "amerikanisch-missionarischen Sinne" auch mit militärischer Gewalt in die Welt zu bringen. Dies habe gerade der Zweite Weltkrieg bewiesen.

Während die Abgeordneten und Senatoren von Obamas Demokratischer Partei in Teilen der Rede applaudierten und sie einige Male sogar durch stehende Ovationen unterbrachen, zeigten sich die Republikaner wenig begeistert bis ablehnend. Nicht nur in ihnen lebt nach wie vor jener von Kritikern aus aller Welt gegeißelte und scheinbar nicht heilbare amerikanische Ungeist, der die Welt immer wieder in Chaos und Verderben stürzt: Das strikte Festhalten an der Universalität der Menschenrechte und den in der Unabhängigkeitserklärung festgeschriebenen "unveräußerlichen Rechten", die mit äußerster Konsequenz zu verteidigen seien und über alle kulturellen und religiösen Grenzen hinweg zu gelten hätten. Es ist diesen uneinsichtigen "Hardlinern" nicht verständlich zu machen, dass man auf Intoleranz und Unterdrückung, Massenmord und Gefährdung westlicher Grundsätze und Sicherheit nur mit viel Verständnis und gütiger Milde zu reagieren hat. Ihr fanatischer Kampf für die Errungenschaften der Aufklärung geht sogar soweit, andere Kulturen herabzuwürdigen und deren Gleichrangigkeit zu bestreiten, nur weil Frauen gesteinigt oder Homosexuelle lebendig begraben werden. Nicht einmal bei den Taliban gelang es ihnen, die humanistischen Potenziale zu erkennen und dem Werte- und Kulturrelativismus eine Chance zu geben. Sie sind und bleiben jene "schießwütigen Cowboys", die den niveauvollen Diskursen Europas nicht zu folgen imstande sind. So verstieg sich der ehemalige Präsidentschaftskandidat John McCain zu der Behauptung, Humanität müsse im Notfall auch mit Waffengewalt durchgesetzt werden. Dafür konnte der Senator aus Arizona jedoch keinerlei Belege liefern. Scheinbar ist ihm entgangen, dass es in der Weltgeschichte immer nur dann Fortschritte gegeben hat, wenn man diktatorischen Systemen und menschenfeindlichen Ideologien entschieden unentschieden begegnet ist. Leidenschaft für westliche Werte macht die Gegner nur wütend. Dem sollte mit einer bewährten Umarmungsstrategie bei Zeiten begegnet werden.     

Hinter Obama rechts Vizepräsident
Joe Biden (Foto: Pete Souza, Executive
Office of the President of the United
States/PD)
Wohlmeinende Beobachter sprechen gerade im Zusammenhang mit der amerikanischen Bedrohung für die deutschen Bürgerrechte von einer respektablen Geste des Präsidenten, während linksliberale Kreise in Deutschland nur von einem ersten Schritt in die richtige Richtung ausgehen. Dahingehend äußerten sich etwa Vertreter der Sozialdemokratie und der Grünen, obgleich manchen hierbei die Aussagen etwa zum Zweiten Weltkrieg fast zu weit gingen. "Obama sollte seinen Friedenspreis an Eric Snowden und Wladimir Putin übergeben", forderte etwa der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der es wie immer nur gut meint mit den USA. Er verwies darauf, dass  die Gelegenheit dafür günstig sei, da beide Kandidaten sich zur Zeit in Moskau aufhielten. Während Snowden im unter bürgerrechtlichen Gesichtspunkten nahezu vorbildlichen Russland sein Bestes gegeben und mit Informationen über die Arbeitsweise des amerikanischen Geheimdienstes im Kampf gegen den Terror auch die Versöhnung mit islamistischen Gruppen vorangetrieben hätte, bemühe sich Putin um einen dauerhaften Völkerfrieden in Osteuropa.

 Jetzt müssten zeitnah weitere "Gesten der Unterwerfung" folgen, um den "großen Frieden mit den Tätern" zu machen, hieß es  bei linksradikalen und linksautonomen Gruppen, die in den Ausführungen durchaus so etwas wie den "Anfang vom Ende" des von den USA angeführten "kapitalistischen Schweinesystems" entdeckt haben wollten..  Von Kanzlerin Merkel und der Bundesregierung war zunächst keine Stellungnahme zu bekommen. Während die immer noch in der Freundschaft mit den USA zu alten Bedingungen stehende und in ihrer unverbesserlich-untertänigen Art in einer längst außer Mode gekommenen Mischung aus Dankbarkeit und Solidarität gefangenen CDU/CSU die Ausführungen Obamas mit einer vorsichtigen Skepsis aufnahm, forderte die Friedensbewegung die Abschaffung der US-Armee: "Nur eine radikale Abrüstung der Nato-Staaten insgesamt kann bei allen Menschen die Neigung hin zu Frieden und Liebe fördern", war sich ein Sprecher des Bündnisses der Pax Antiamericana sicher und schloss in seine Gebete ausdrücklich auch Völkermörder mit ein. Die Linkspartei als Nachfolgerin der SED verwies auf ihre in Jahrzehnten gewachsene überragende Autorität in Sachen Menschenrechte, Humanität, Demokratie und Freiheit. "Wo bleibt ein großzügiges Friedensangebot an das die Ukraine liebenswert umgarnende Russland unter Putin", bezog sich die stellvertretende Parteivorsitzende Rosa Wagenknecht auf die aktuelle Krise im Nahen Osten und mahnte auch eine dezidiert positivere Grundhaltung der USA gegenüber den segensreichen Errungenschaften des Kommunismus an. "Amerika ist noch lange nicht so weit für unsere Weisheiten", fügte Fraktionschef Gregor Gysi hinzu und schloss sich der fundamentalen Kritik an.  "Den seinerzeitigen Überfall Südvietnams auf den friedlichen Vietcong hat Obama natürlich nicht erwähnt", mahnte der Polit-Entertainer an. Eine gewisse Bewegung in den lange festgefahrenen Positionen der Supermacht wollte gleichwohl auch er erkannt haben. Völlig unversöhnlich blieb hingegen etwa die NPD, deren Vorgängerorganisation einst vom "US-Imperialismus" so unsanft aus allen Weltmachtsträumen herausgerissen worden war: "Bei den Amerikanern ist es so wie bei den Israelis. Sie begreifen einfach nicht, dass wir ohne ihre Existenz gar keinen Grund hätten, sie zu hassen", fasste ein Sprecher den Standpunkt der prinzipientreuen Revisionisten zusammen, denen allzu Unmenschliches noch nie fern war.

Obama salutiert nach der Rede einem
europäischen Kritiker (Foto: Pete Souza,
Executive Office of the President of the
United States/PD) 
Zum Schluss seiner Rede kam der US-Präsident noch einmal auf die NSA-Affäre zu sprechen und offenbarte den eigentlichen Grund für die Kontroll- und Abhörmanie: "Unsere Dienste sind brennend daran interessiert, wie Lieschen Müller in Wuppertal ihre Tage verbringt und wen sie sonntags zu Kaffee und Kuchen bittet", nahm der mächtigste Mann der Welt die Debatte um Datenmissbrauch auf und gelobte Besserung. Da die Mitarbeiter der amerikanischen Geheimdienste den ganzen Tag nichts weiter zu tun hätten, sei die vollständige Erfassung und Auswertung von Milliarden von Daten gerade auch aus Deutschland erfolgt. Der Mann aus dem Weißen Haus wollte nicht ausschließen, dass es dabei zu Erpressungsversuchen von NSA-Leuten gegenüber unbescholtenen Bürgern gekommen sein kann. So soll ein deutscher Rentner, der seit Jahren per Telefon ein Liebesverhältnis mit einer Friseuse unterhielt und dies seiner Frau vorenthielt, mit den Aufzeichnungen seiner nicht immer ganz jugendfreien Gespräche unter Druck gesetzt worden sein. Abgründe über Abgründe an einem ansonsten durchaus denkwürdigen Tag.        

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