Dienstag, 13. Mai 2014

So war das damals im Wilden Westen: Politische Korrektheit unbekannt/Rassismus an Tagesordnung

Reportage von Karl May

So ging es zu im Wilden Westen
(Foto: Counter Litho Co./PD)
Santa Fe. Die Segnungen der heutigen insbesondere linkspolitischen Korrektheit, von weisen Eliten via Medien unter das unmündige Volk gebracht, sind wesentlich ein Produkt der zweiten Häfte des 20. Jahrhunderts. Es ist erschreckend, wie wenig die Zeitgenossen etwa im 19. Jahrhundert von den die öffentliche Kommunikation so nett regelnden Sprach- und Denkgeboten wussten und ahnten, die sich seit der "68er Bewegung" durch das unermüdliche Engagement alternativer und linksliberaler Kreise allmählich durchsetzten und heute in unseren Breitengraten als verbindlich gelten können. Den Menschen des vorletzten Jahrhunderts ging diese als liebenswerte Denkhilfe zu verstehende Orientierung, die den Alltag und den Meinungsbildungsprozess nicht durch unbequeme, langwierige und anstrengende Selbstvergewisserung und eigenständige Urteile unnötig erschweren, vollständig ab. Mit praktischen Problemen einer schwierigen Zeit konfrontiert und befasst, kamen die Gepflogenheiten einer selbsternannten Elite, sich über den gemeinen Pöbel zu stellen und den unaufgeklärten und stets gefährlichen Ressentiments gesellschaftlicher Mehrheiten ein intellektuell-moralisches Beispiel entgegenzuhalten, ausnehmend zu kurz. Dies betraf Europa ebenso wie das sich noch in seiner Konsolidierungsphase befindende Amerika. Heute mutet es nahezu grotesk an, wie unbefangen zum Beispiel Cowboys und Indianer miteinander umgingen. Rassismus war an der Tagesordnung, der der durch die massenhafte Einwanderung aus allen Teilen Europas sich anbahnenden multikulturellen Gemeinschaft erhebliche Rückschläge bescherte.
  

 Das 19. Jahrhundert war auch in Europa keine reine Idylle. Es gab imperialistische Kriege um Einflusssphären und gesellschaftliche Konflikte um nationalstaatliche Einigung, Demokratie und soziale Fragen. Da seinerzeit die linkspolitische Korrektheit noch nicht erfunden war und die Menschen sich ohne Rücksicht auf fein gesponnene Sprach- und Denkmuster auszudrücken pflegten, konnte es schon einmal zu unvorhergesehenen und bedenklichen Äußerungen kommen. Hart arbeitende Schichten wurden als Proleten bezeichnet, Politiker als Fürsten, Frauen als Weiber, Migranten als Ausländer oder Fremdlinge verunglimpft, Schwarze sogar als Neger. Homosexuelle waren noch nicht entdeckt. Die Leute dachten sich nichts und lebten ihr Leben. Die gesellschaftlichen Phänomene unserer Tage waren entweder noch nicht vorhanden oder hatten noch keine oder andere Begriffe. Von Gleichstellungsbeauftragten, Antidiskriminierungsstellen, Genderstudien, ausländischen Mitbürgern und multikulturellen Gesellschaften war noch nichts zu hören. Gemach, Gemach.
 
 
Revolverhelden machten die
Straßen unsicher (Foto: Brady/PD)
Besonders schlimm, wenn wundert es, trieben es schon damals die notorisch gewalttätigen Amerikaner im Wilden Westen, der seit der Mitte des Jahrhunderts immer stärker besiedelt wurde und erst allmählich in eine friedlichere Zivilisation überging. Alt- und Neubürger kämpften und ritten gegeneinander an. Schüsse fielen. Vergiftete Pfeile zischten durch die Luft. Mancher Büffel ging in die ewigen Jagdgründe ein, bevor das satte Gras der Prärie abgegrast war. Immer weiter nach Westen vordringende Weiße hießen die eingeborenen Indianer "Rothäute". Die so titulierten Stammesmänner konnten das keinesfalls auf sich sitzen lassen und keiften die Siedler, Cowboys, Soldaten oder Abenteurer aus der Alten Welt und der Ostküste als "Bleichgesichter" an. Während die einen nach strapaziöser Fahrt mit dem Wagentreck Häuser bauten und Felder bestellten, hausten die anderen in Whigwams und rannten um den Marterpfahl herum. Die einen trieben Herden zusammen und hüteten das Vieh, die anderen zogen mit Pfeil und Bogen durchs Land und genossen ihre freie und ungebundene Liebe zur Natur.  Die einen kümmerten sich nach getaner Arbeit um ihre stolzen und tapferen Pionierfrauen, die anderen sangen ihrer Squaw eine romantische Serenade oder brachten Häuptlingssöhne mit poetischen Namen wie "Kleine Wolke" oder "Großer Bär" zu Bett. Man verehrte den lieben Gott oder Manitu. Die einen glaubten an unveräußerliche Rechte aller Menschen, die sich nach und nach durchzusetzen begannen, die anderen begriffen das Vordringen der Zivilisation als Bedrohung. Die einen wurden skalpiert oder in Gestalt ihrer Frauen auch schon einmal vergewaltigt, die anderen ihres Lebensraumes beraubt und in Reservaten dem Feuerwasser überantwortet.

Seinerzeit hätten linkspolitisch korrekte Zeitgenossen, die heute hinter jedem Gebüsch einen Rassisten sehen und sich als Sprachrohr und Verbündete aller Migranten verstehen, natürlich auf Seiten der einheimischen Ureinwohner gestanden. Jedes Massaker an unschuldigen und wehrlosen Siedlern in dem zu Beginn beinahe menschenleeren Land der in aller Regel nicht sesshaften Indianer wäre sicher als legitime Antwort auf die Horden von weißen Einwanderern betrachtet worden. So ändern sich die Zeiten. Die damaligen Migranten, die vor politischer und religiöser Unterdrückung im alten Europa geflohen waren und mit humanisrisch-demokratischen Idealen ausgestattet eine gerechte und neue Gesellschaft aufzubauen trachteten, wären die Feindbilder gewesen. So stellt man es ja auch rückwirkend gerne da. Nicht über den Völkermord der spanischen Kolonialisten in Mittel- und Südamerika wird lamentiert, der ausnahmslos die Ausbeutung der goldreichen Regionen und seiner Ureinwohner seit der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus 1492 zum Ziel hatte. Das interessiert nicht oder ist nicht bekannt. Nein, die Besiedelung der Vereinigten Staaten in ihrer Westausdehnung des 19. Jahrhunderts wird auf ihre gewalttätigen Elemente reduziert. Vorläufer des Südenregisters der späteren Weltmacht. Der "Völkermord" an den Indianern passt so nett ins Bild und zu den gehegten Ressentiments jenseits ernsthafter Befassung. Gut so. Bravo. Heute sind die Migranten in Europa für die gleichen Leute naturgemäß allesamt Opfer des bösen Westens und eine potentielle Bereicherung. Dass dabei neben den Integrierten und in der Tat eine Bereicherung darstellenden Einwanderern und ihren Nachkommen gerade bei der Einwanderung aus muslimischen Ländern ein ganz gegenteiliges Verständnis von Kultur und Religion, Toleranz und Menschenrechten besteht, stört nicht weiter. Gut so. Bravo. So ändert sich die Perspektive. Schöne Neue Welt.               

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen