Donnerstag, 1. Mai 2014

Satirezeitung kapituliert vor Wirklichkeit: Schröder und Putin nicht zu toppen

Bericht von Chefredakteur Siegfried Richter

KA-Chefredakteur Richter ist ratlos
(Foto: Richter/KA)
Calau. Die angesehene Satirezeitung Kalauer Anzeiger sieht sich in Gestalt ihres Herausgebers und Chefredakteurs Siegfried Richter außerstande, auf die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Konflikt mit den ihr eigenen Mitteln im Rahmen des selbstgestellten Auftrages adäquat zu reagieren. Der ehedem auf das deutsche Grundgesetz und seine Werte vereidigte ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte sich anlässlich seines 70. Geburtstages in St. Petersburg zu einer rauschenden Party mit seinem Duzfreund und "lupenreinen Demokraten", dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, getroffen. Während der gewesene und amtierende Staatsmann in freudig-erregter Umarmung und bei Kaviar und Sekt ihr Beisammensein zelebrierten, ging die das zuletzt durch westliche Demokratie und Freiheit arg bedrohte russische Volk wieder beseelende Neuordnung des mittelosteuropäischen Raumes fröhlich weiter. Ein ehemaliger Kanzler arbeitet und trommelt für die russische Ölmafia und ihren Autokraten, die Russlandversteher toben sich  in den deutschen Medien aus. Kleine politische Sekten schlagen ernsthaft vor, US-Präsident Barack Obama solle seinen Friedensnobelpreis an Putin übergeben. Russische Medien berichten von KZ's für ihre Minderheit in der Ukraine. Begriffe wie Faschismus grassieren und werden unhistorisch und als fundamentale Beleidigung der westlich orientierten Ukrainer gegen die revolutionären Helden vom Maidan in Kiew instrumentalisiert. Also j gegen jene, die das prorussische Regime zum Teufel gejagt haben. Freunde, gebt doch der Satire  noch eine Chance. Aber gegen diese Realität scheint sie machtlos zu sein.


Hat es nicht so mit dem
Völkerrecht und gibt Russland
auf Kosten anderer Völker
seinen Stolz zurück: Putin
 
Die von Nationalismus und Imperialismus getragene Begeisterung durch die Rückeroberung der von bösen, prowestlichen Faschisten okkupierten Halbinsel Krim hat sich längst auf weite Teile der östlichen Ukraine übertragen. Liebevoll und solidarisch kümmert sich das Riesenreich um die Probleme des kleineren Nachbarn und geht von der zwingenden Prämisse aus, dort ein natürliches Mitspracherecht zu haben. Dies mag den Russen als Gewohnheitsrecht auch zustehen, da sie seit Jahrhunderten die Funktion eines Raumgestalters in dieser Region bekleiden.  Prorussische Schlägerbanden und getarnte russische Spezialeinheiten stürmen und besetzen Behörden, greifen Sicherheitskräfte an, demütigen und terrorisieren prowestliche Ukrainer, nehmen Geiseln und entführen Menschen, hissen russische Flaggen und rufen sogenannte "Republiken" als nette "Brücken" für die Spaltung des Landes bzw. die Einverleibung durch Russland aus, hintertreiben die Einheit der Ukraine und die Vorbereitung von Wahlen und Verfassungsreformen. So wird das Feld für die Politik Moskaus und unter unsichtbarer Führung des Kreml vorgeklärt. Das russische Sündenregister unter Putin ist inzwischen zwar dicker als die Bibel und so lange wie die Geschichte des Landes, aber wo gehobelt wird, fielen schon immer Schwäne. Die Hetze gegen Europa und vor allem gegen USA und Nato gehören längst zum guten Ton und würden regelrecht vermisst  (Wir berichteten). "Wir tun was wir können, aber die Wirklichkeit als Realsatire bzw. als lächerliche und böse Karikatur kann man schwer einholen oder überflügeln", hält Richter die satirische Überzeichnung oder Doppeldeutung zur Offenlegung von Mechanismen und Missständen in solchen Fällen für nahezu auf verlorenem Posten stehend. Aber das Bemühen darum gehe weiter.

Kämpft für Russlands Ehre und gegen
den bösen Westen: Postkommunistin
Wagenknecht
Unterdessen werden die russische Lügenpropaganda bzw. der Propagandakrieg in den deutschen Medien und der Öffentlichkeit immer beliebter. Der Aufmarsch von servilen Russland- und Putinverstehern in den Talkshows und Kommentaren setzt sich fort, garniert mit gleichgeschalteten russischen Journalisten oder dem russischen Botschafter selbst, deren unmittelbare Propaganda für den antiwestlichen und antidemokratischen Feldzug des Kremlherren und seiner Clique aus Politgangstern und Öl- und Gasoligarchen wenigstens nicht vorgibt, objektiv und humanistisch zu sein. Menschen- und Völkerrechte können da als Argumente nur schwerlich gelten. Schuld an allem haben natürlich insbesondere Nato und USA, wer auch sonst (Wir berichteten). Schließlich halten gerade die Vereinigten Staaten seit ihrer Gründung die Welt vom Paradies ab, sind autoritäre Regime und Diktaturen, Menschenrechts- und Völkerrechtsverbrechen, das politisch-ökonomisch-militärische Recht des Stärkeren allemal besser als die dekadent-aufklärerischen Ideale von Freiheit und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Individualität. Ahnungslosigkeit über die Geschichte Ost- und Mitteleuropas und über die USA wechseln sich hübsch mit skrupellosem Zynismus ab, Lehren aus den totalitären Erfahrungen des 20. Jahrhunderts stören nur. Es ist Anfang des 21. Jahrhunderts wieder modern und chic, autoritären und psychopathischen Westentaschenführern zu folgen.

Daneben zieht sich die typisch deutsche, von bösen Zungen feige genannte Haltung der Äquivalenz, die ängstlich und unhistorisch das Prinzip der naiven Nichteinmischung über leidenschaftliche Werteorientierung und Solidarität stellt und auf Verschonung und weiteres wirtschaftliches Wohlergehen um jeden Preis hofft, über politische Lager und Milieus hinweg und erfasst nach Umfragen wohl fast die Hälfte der Bevölkerung. Den politisch Indifferenten gehört die Stunde, als sei man ein neutraler Schiedsrichter in einem Fußballspiel und kein Akteur, dessen Loyalität sich aus den Werteorientierungen der beteiligten Seiten ergibt. Die latent bis offen antiamerikanischen linken Leitmedien und das Lager der politischen Korrektheit von links scheint gespalten. Und dies jenseits der Linkspartei und anderer extremistischer Parteien und Milieus, die frank und frei den national-imperialen Rausch in Russland und bei den fünften Kolonnen Moskaus der russischen Minderheiten in westlichen Nachbarstaaten voller Genugtuung stützen und sich auch von rassistisch-faschistischem Überlegenheitsgefühl der russischen Mehrheit gegenüber kleineren und kleinen Staaten nicht irritieren lassen. warum denn auch. Schlimme historische Erfahrungen gerade der slawischen Nachbarn, ihre Befindlichkeiten, Ursache und Wirkung des Konfliktes oder auch die Politik Putins insgesamt zählen nicht. Hauptsache, man pinkelt dem Westen und nicht zuletzt den Vereinigten Staaten einmal ans Bein. Wer muss, der muss. Und die Gelegenheit ist günstig. Zu viele Demütigungen hat der US-Idealismus in Theorie und Praxis den von Faschismus und Kommunismus befreiten und durch ein posttotalitäres Trauma gepeinigten Ideologen am linken und rechten Rand beschert. Und ein verlogener Pazifismus hilft immer und ist auch für die Bevölkerung eine süße Verführung: Man ergibt sich aus Angst jenen, vor denen man Angst hat. Die Lehre der Geschichte ist klar. Die antiwestlichen Diktaturen und Kriegstreiber werden zu Opfern westlicher Kriegshetze ernannt. Das funktionierte schon früher so schön, von Vietnam bis auf den Balkan, von Afghanistan bis in den Irak. Kein Völkermord, keine Bedrohung der eigenen Sicherheit könnte da Zweifel aufkommen lassen. Man dreht es einfach herum: Die Anderen sind die Imperialisten und Faschisten. Sogar von Kz's ist in den russischen Medien die Rede, die westlich orientierte Ukrainer für Angehörige der russischen Minderheit im Osten bauten. Und viele Russen glauben auch das noch und beleidigen damit ihre wirklichen Opfer des Faschismus im Zweiten Weltkrieg. Soviel Irrationalität war nie. Wie schön.

Lunte in diesem Sinne riechen auch die ganzen Russland- und Putinversteher. Lange aufgestaute Ressentiments und zum Teil regelrechter Hass brechen sich Bahn. Selbst dieser Konflikt, in dem der Westen und selbst die USA, wenn man ihn bzw. sie zu kritisieren hätte, eher zu zögerlich und seit Jahren viel zu viel Rücksicht auf die russischen Befindlichkeiten nehmend mit Mühe ein paar läppische Visabeschränkungen und Kontensperrungen auf den Weg bringen, gilt ihnen noch als Sündenfall . Es werden Fensterreden gegen westliche Politiker gehalten, wonach man noch mehr reden und der Diplomatie noch größeren Raum geben müsse, während Putin mit Gewalt Fakten schafft und in der Ostukraine mit durchsichtigsten Argumenten, fadenscheinigsten Begründungen und mit einer nach dem Krieg in Europa nahezu beispiellosen Lügenpropaganda Fakten schafft. Das ist schön. Ähnlich wie auf der Krim dürfte ein anberaumtes Referendum unter den prorussischen Staatsbürgern der Ukraine eine Zustimmung von weit über 100% erreichen. Dann steht der Wiedervereinigung mit dem Mutterland, das sich nur durch jahrhundertelangen Landraub seine Größe geschaffen hat, nichts mehr im Wege. Selbst übelste Gewalt und Mord und ein mit Händen zu greifendes, plumpestes Gebaren entlang geostrategischer Interessen jenseits aller moralisch-ethischen Kategorien kann der Russland wohlgesinnten Haltung keinen Abbruch tun. Will die legale und legitime und im übrigen auch angesichts der militärischen Überlegenheit des Gegners eher bedächtig und ängstlich vorgehende Regierung in Kiew als Nachfolger des prorussischen Marionettenregimes von Janukowitsch das sonst so selbstverständliche staatliche Gewaltmonopol und die territoriale Integrität des Landes erhalten oder wieder herstellen, wird sie unter Übernahme der russischen Propaganda noch verantwortlich gemacht. Wie fein. Seitdem Russland vor Wochen die Krim geschluckt hat und die Kiewer Regierung im Westen des Landes die verbliebenen ukrainischen Soldaten unter Gewaltandrohung und Häme der prorussischen Banden friedlich abgezogen hat, ist die russische Interpretation und Perspektive in deutschen Medien allgegenwärtig. Die mindestens in den Diskussionssendungen  und Kommentaren gepflegte Legende, wonach in der Westukraine Faschisten das sagen hätten, wird durch den alibistischen Verweis auf die Partei Swoboda scheinbar bestätigt. Russen werden ja seit Wochen durch Kiew gejagt und geschlagen. Oder war es umgekehrt. Egal. Die Wahrheit ist und bleibt ein zartes Pflänzchen, das zur Bestätigung des eigenen Weltbildes schon einmal zertreten werden kann.  Gewalt also lohnt sich. Wunderbar.

Von Verschwörungstheorien und übelster Hetze gegen Amerika und seine Verbündeten in Internetforen oder bei sogenannten "Montagsdemonstrationen", die den heldenhaften Kern dieser Tradition schon begrifflich beleidigen, ganz zu schweigen. Politische Sekten mischen ordentlich mit. Hier kann man mitunter nicht mehr unterscheiden, ob die ideologischen Bezüge rechts- oder linksradikaler Art sind. Politische und historische Lügen haben kurze Beine, werden aber durch ihre ständige Wiederholung lang und länger.  Und jene Kräfte werfen den Medien noch eine zu amerikafreundliche bzw. russlandkritische Position vor. Dann können gleich einmal sämtliche Rechnungen mit dem System beglichen werden. Seit Jahren arbeiten sich die meisten Medien reflexartig und immer mehr an den USA ab. Peter Scholl-Latour oder Helmut Schmidt als Gurus erklären uns, was Amerika alles falsch macht und wie liebevoll beispielsweise gerade der Islam ist. Überheblichkeit, wichtigtuerisches Geschwätz und Besserwisserei, angeblicher Mut gegenüber der Weltmacht, Werte- und Kulturrelativismus, Diffamierung der Universalität der Menschenrechte, naiver Pazifismus, Angst vor den Falschen und vieles mehr, soweit das Auge reicht. Allabendlich im Fernsehen oder in den Gazetten. Der Verräter Eric Snowden ist ein Held, die NSA und nicht Al-Kaida oder der jetzt in der Ukraine tätige Ex-KGB mit seinem Ex-KGB-Mann Putin werden kritisiert. Und nicht wenige im Volk glauben es noch. Dümmlichste Witzchen über Amerika seit Jahren, Kabarettisten lachen sich und ihr unmündiges Publikum fast zu Tode. Schenkelklopfer und hochstimmiges Gegrunze als Bestätigung des eigenen Weltbildes.   Ja geht es noch. Ja, es geht noch. Zum Glück gibt es auch die andere Seite.

Wie irritierend dagegen die klaren humanistischen Vorstellungen des Bundespräsidenten Joachim Gauck, die tief in den westlich-abendländischen Werten ruhenden Aussagen verschiedener Politiker oder Journalisten, die menschen- und völkerrechtspolitisch glaubwürdigen Haltungen von Europaabgeordneten wie Elmar Brok (CDU) und Werner Schulz bzw. Rebecca Harms (Die Grünen) oder Ralf Fücks von der Heinrich Böll-Stiftung. Ganz zu schweigen von den Worten bestimmter US-Politiker, die oft noch weiter gehen. Es ist aber auch intellektuell und moralisch für die gegen Amerika und den Westen und für dieses politische Russland Positionierten zu schwer, das als selbstverständlich wahrgenommene Recht auf Demokratie und Freiheit auf andere Menschen zu projizieren. In Sonntagsreden und theoretisch, aber doch nicht praktisch und erst recht nicht mit der Waffe in der Hand. Also wirklich. In ihrem Zynismus können sie sich eine aus Überzeugung geborene Solidarität mit der westlichen Supermacht nicht mehr vorstellen, sondern nur noch als "blinde Gefolgschaft". Und das bei diesem antiamerikanischen Klima, wo Mut dazu gehört, die USA zu unterstützen und nicht zu kritisieren. Sonst ist man gleich ein Russlandhasser. Leute, die plötzlich dieses Land für sich entdeckt haben, ohne Ahnung zu haben. Neben linksideologischen Verklärern Russlands, die das Ende des Sowjetimperialismus und Kommunismus als Alternative zum Westen entweder nicht mitbekommen oder noch nicht verdaut haben, oftmals auch Menschen, die sonst traditionell antislawisch und nationalistisch-antieuropäisch bis faschistisch sind. Na ja, jetzt wittert man Morgenluft gegen den Westen und kommt aus seinen Rattenlöchern gekrochen. Und das antislawische Element kommt ja zum Tragen, wenn man die Bedürfnisse und Existenzen der russischen Nachbarn ignoriert. Die da im "Osten". Ist wieso alles hinter dem Ural, dunkel und bedrohlich. Also kann es Russland ohnehin nehmen. Davor versagt mitunter selbst die Satire. Deshalb:  God bless the USA.                                       

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